Arbeitsbogen Ressourcen solidarisch einsetzen - Bonusmaterial

Ich nehme in Gesprächen mit Kolleg*innen wahr, in welchen Bereichen ich privilegiert bin (z. B. ob ich während der Ausbildung finanzielle Unterstützung von der Familie hatte, ob ich neben der Lohnarbeit keine Sorgearbeit leiste, was mir im Arbeitskontext zugetraut wird).

 > Welche Voraussetzungen waren für dich in deiner bisherigen beruflichen Biografie selbstverständlich, die es für andere nicht sind? Wie hat dies deine Ausbildung, Berufswahl, Karriere beeinflusst?

Mir fallen spontan Bücher oder Texte ein, die ich gelesen habe, von Autor*innen, die eine gesellschaftlich marginalisierte Perspektive haben. 

 > Nutze die Gelegenheit, dich mit deinem Team darüber auszutauschen, welche Bücher, Blogs, Filme ihr kennt, die aus der Perspektive von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen / mit marginalisierter Perspektive erzählen und euch beeinflusst haben.

Ich habe im vergangenen Jahr mindestens eine Weiterbildung zu Antidiskriminierungsthemen besucht. Das hat für mich etwas verändert.

 > Eine Weiterbildung kann längst nicht alle Fragen klären und alle unbewussten Prozesse, die Diskriminierung begünstigen, aufdecken. Sie ist eher ein Impuls, sich auf einen Weg zu machen. Daher ist es gut, sich zu fragen, wie sie den eigenen Prozess unterstützt hat (oder nicht).

Ich achte in meinem Arbeitsumfeld darauf, dass mein Redeanteil nicht mehr Raum einnimmt als der von Kolleg*innen mit marginalisierter Perspektive. 

 > Zahlreiche Studien belegen, dass Männer oft einen größeren Redeanteil in einer Gruppendiskussion haben als Frauen. Auch jenseits eines binären Geschlechterverständnisses und in Bezug auf andere Diskriminierungsdimensionen lässt sich beobachten: Wer seltener aufgrund von Diskriminierung in Frage gestellt wird, traut sich eher, Raum einzunehmen und umgekehrt. Beobachtet in eurem Team, wie die Rollen verteilt sind und wer meist den größten Redeanteil hat.

Wenn mir auffällt, dass Kolleg*innen mit marginalisierter Perspektive weniger Raum bekommen als andere, solidarisiere ich mich mit ihnen, indem ich:

> Du kannst Menschen unterstützen, indem du eine Wortmeldung oder Idee von ihnen aufgreifst („Darauf aufbauend, was X gerade gesagt hat …“) und darauf achtest, dass in einer Runde alle zu Wort kommen.

Wenn in meinem Arbeitsumfeld jemand eine eigene Diskriminierungserfahrung anspricht, nehme ich das ernst und tue Folgendes:

 > Wenn jemand eine Diskriminierungserfahrung mit dir teilt, ist das ein Vertrauensbeweis. Es ist wichtig, die Erfahrung ernst zu nehmen und nicht in Frage zu stellen. Alle weiteren Schritte sollten zunächst mit der Person selbst abgesprochen werden. Überlegt, wer in dieser Situation beraten könnte (Betriebsrat, Gleichstellungsbeauftragte, Antidiskriminierungsstelle).

Wenn ich selbst im Arbeitskontext Diskriminierung ausgesetzt bin, weiß ich, an wen ich mich wenden kann, um Unterstützung zu bekommen.

> Gibt es in eurem Arbeitskontext eine Anlaufstelle, z. B. eine AGG-Beratungs- oder Vertrauensstelle? Ist die Gleichstellungsbeauftragte geschult? Nimmt die Leitung ihre Schutzverpflichtung wahr? Gibt es solidarische Kolleg*innen, die Unterstützung bieten?

Ich setze mich dafür ein, dass in meiner Institution / im Team eine Weiterbildung zu Antidiskriminierungsthemen stattfindet.

 > Wichtig zu wissen: Fortbildungen sind nicht geeignet, Diskriminierungsfälle aufzuarbeiten. Dazu wird eine separate diskriminierungssensible Mediation / Supervision benötigt. Fortbildungen können aber ein Team auf einen Stand zu Antidiskriminierungsfragen bringen und damit eine gemeinsame Gesprächsbasis ermöglichen.

Ich setze mich dafür ein, dass in meiner Institution Angebote und Veranstaltungen barrieresensibel sind und verschiedene Zielgruppen ansprechen (Übersetzungen in Leichte Sprache, Deutsche Gebärdensprache, niedrige Eintrittspreise oder Ermäßigungen, genderneutrale Toiletten etc.). 

 > Wer kann derzeit eure Angebote überhaupt nutzen? Viele öffentlich geförderte Institutionen setzen zum Beispiel die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention nicht ausreichend um, obwohl sie dazu verpflichtet wären. Dass Barrieren abgebaut werden, hat oft mit der engagierten Arbeit Einzelner zu tun. Auch bei kleinerem Budget sind viele Veränderungen möglich.

In meiner Arbeit achte ich darauf, bei allen Themen auch Referent*innen, Expert*innen etc. zu beauftragen, die marginalisierte Perspektiven haben, nicht nur, wenn Diskriminierung das Thema der Veranstaltung ist.
 

> Wie wählst du Gäste für die Veranstaltungen aus? An wen wendest du dich, um Expert*innen zu finden, die noch nie bei euch waren? Vorsicht vor Tokenismus: Wenn ihr Referent*innen nur einladet, weil sie z. B. PoC sind, obwohl ihre Expertise mit der Veranstaltung nicht viel zu tun hat, ist das nicht zielführend. Habt ihr schon öfter Absagen von marginalisierten Expert*innen bekommen? Könnte das an dem Rahmen liegen, den ihr bietet, um über Themen zu sprechen? Die einzige Person of Color, behinderte Person oder nicht-binäre Person auf einem Panel zu sein, kann sehr anstrengend sein.

In der Zusammenarbeit mit Kooperationspartner*innen achte ich auf gesellschaftliche Vielfalt und insbesondere auf marginalisierte Perspektiven. 

 > Die Arbeit mit Kooperationspartner*innen ist eine gute Möglichkeit, Zugang zu Perspektiven zu erhalten, die bisher bei euch nicht vertreten sind. Sehr wichtig: Vereinbart gleich zu Anfang, wer welche Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse hat und wie alle für ihre Mitarbeit angemessen entlohnt werden. Damit beide von der Zusammenarbeit profitieren, sollte diese auf Augenhöhe stattfinden. Dazu ist es wichtig, kritisch mit bestehenden Machtverhältnissen umzugehen und verschiedene Ressourcen zu berücksichtigen (z. B. ein kleiner Community-Verein vs. eine große, geförderte Institution).

In der Zusammenarbeit mit marginalisierten Communitys achte ich darauf, möglichst mit Selbstorganisationen zu kooperieren.

> Selbstorganisationen arbeiten oft schon seit langer Zeit an Antidiskriminierungsthemen und können auf ein breites Erfahrungswissen zurückgreifen. In der Zusammenarbeit wird sichergestellt, dass Selbstrepräsentation marginalisierter Positionen stattfindet und kein „Sprechen über“. Der Vorteil gegenüber der Zusammenarbeit mit einzelnen Personen ist, dass eine Bandbreite von Erfahrungen in das Projekt eingeht und nicht eine einzelne Person eine ganze Community repräsentieren muss.

Wenn ich mitbekomme, dass Stellen bei uns neu zu besetzen sind, setze ich mich dafür ein, dass bei der Auswahl darauf geachtet wird, Bewerber*innen mit marginalisierten Perspektiven zu berücksichtigen (z. B. Anregung zur diskriminierungskritischen Formulierung der Stellenanzeige, diese Verbreiten über relevante Verteiler, geeignete Personen vorschlagen bzw. informieren)

> Verwenden von Selbstbezeichnungen marginalisierter Gruppen in der Ausschreibung ist gut, Informieren über den zukünftigen Arbeitsort noch besser. Nutzt die Stellenausschreibung, um zu beschreiben, inwiefern ihr euch als Organisation tatsächlich schon mit Antidiskriminierung beschäftigt und welche Leerstellen es eventuell noch gibt. Bewerber*innen wissen somit, worauf sie sich einlassen.

Wenn ich beim Thema Antidiskriminierung nicht weiter weiß, hole ich mir Rat oder Unterstützung bei:    

> Niemand kann alles wissen. Antidiskriminierungsarbeit ist ein Lernprozess, der nicht aufhört. Es ist wichtig, sich gute Quellen zu erschließen. Achtung: Für Kolleg*innen mit Diskriminierungserfahrung ist es sehr anstrengend, immer Ansprechpartner*innen für das Thema zu sein, oft zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben. Besser: Expert*innen beauftragen, die für diese Arbeit bezahlt werden. Antidiskriminierungsarbeit ist eine gemeinsame Aufgabe. In der Verantwortung, Dinge zu verändern, stehen jedoch vor allem die, die bisher von den ungerechten Strukturen profitiert haben.

Im Leitbild (Imagebroschüre, Selbstbeschreibung auf der Webseite o. ä.) deiner Institution / deines Teams ist Diversitätsentwicklung und Antidiskriminierung fest verankert.

 > Ein klares Statement zu Antidiskriminierung und Diversitätsentwicklung ermöglicht allen, mit denen ihr arbeitet bzw. die eure Angebote nutzen, zu sehen, wie ihr mit diesen Themen umgeht, und euch danach zu fragen. Wichtig: Ein schönes Leitbild, das nicht die tatsächlichen Strukturen der Institution beschreibt, ist Etikettenschwindel. Ein Leitbild, das wenige Leute formuliert haben, wird eventuell nicht von allen im Haus getragen. Idealerweise wird ein Leitbild in einem partizipativen Prozess erarbeitet, der auch Fortbildungen beinhaltet und Strukturen verändert. Ein Leitbild sollte regelmäßig überarbeitet werden und allen bekannt und zugänglich sein. 

Ihr habt im Team eine gemeinsame Vorstellung davon, was Diversität bedeutet:

> Der Begriff Diversität kann in seiner Auslegung stark variieren. Oft wünschen sich Institutionen ein diverseres Team, wollen sich aber ungern mit Diskriminierung beschäftigen oder etwas an ihren Strukturen ändern. Das ist wenig nachhaltig. Klärt im Team: Geht es euch allen um diskriminierungs- und machtkritisches Arbeiten? Was verstehen einzelne unter dem Begriff und wer hat die Definitionsmacht?

Deine Institution / Team will sich für gesellschaftliche Diversität öffnen und plant dafür finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen ein.

> Vom Lippenbekenntnis zur Aktion: Diversitätsentwicklung kostet Zeit und braucht Ressourcen. Sie kann nicht nebenbei von einzelnen Mitarbeitenden erledigt werden. An der Bereitstellung von (personellen und finanziellen) Ressourcen erkennt ihr, wie ernst es euch / eurer Leitung mit der Diversitätsentwicklung ist.

In deiner Institution / Team arbeitet ihr mit geschlechtergerechter Sprache.

> Sprache ist ein wichtiges Werkzeug für Repräsentation und erzählt viel über euer Verständnis von Gesellschaft. Werden in der Sprache eurer Öffentlichkeitsarbeit mehr als zwei Geschlechter angesprochen? Habt ihr euch und euer Team über die unterschiedlichen Bedeutungen von Unterstrich, Doppelpunkt und Sternchen informiert? Der Sprachgebrauch verändert sich fortwährend. Seid ihr offen dafür, eure Sprache bei Bedarf anzupassen / zu erweitern?

In deiner Institution / Team werden Mitarbeitende freigestellt, wenn sie an einem Antidiskriminierungstraining teilnehmen wollen.

> Siehe Punkt: „Ressourcen für Diversitätsentwicklung“. Können Mitarbeitende sich in der Arbeitszeit fortbilden? Wenn es darum geht, die gemeinsame Arbeit zu verbessern, gehört die Fortbildung in die Arbeitszeit.

Es gibt eine*n Gleichstellungsbeauftragte*n / eine Anlaufstelle bei Diskriminierungserfahrungen in deiner Institution und die Mitarbeitenden werden über deren Arbeit informiert (z. B. bei Vertragsunterzeichnung, sichtbare Bekanntgabe im Haus).

 > Öffentlich geförderte Institutionen sind verpflichtet, eine AGG-Beschwerdestelle einzurichten. Zusätzlich ist eine Anlaufstelle zu empfehlen, die auch bei Diskriminierungen weiterhelfen kann, die eventuell nicht AGG-relevant sind. Außerdem kann auf das Angebot von externen Antidiskriminierungs- und Beratungsstellen, z. B. bei Diversity Arts Culture, aufmerksam gemacht werden. Wissen alle Mitarbeitenden, welche Angebote es bei euch / für sie gibt?

In eurer Institution gibt es Leitlinien, wie bei konkreten Diskriminierungsvorfällen vorgegangen wird.

> Die Erfahrung zeigt: Ohne Leitlinien, ein geeignetes Verfahren und geschulte Ansprechpersonen ist die Aufregung im Diskriminierungsfall groß und die Unterstützung für die Person, die diese erleben muss(te), meist unzureichend. Es gibt keine diskriminierungsfreien Räume, egal wie sehr sich das Team bemüht. Jede Institution und jedes Team sollte sich daher (auch im Vorfeld) Gedanken darüber machen, was zu tun ist, wenn es zu Diskriminierung kommt, damit schnell, angemessen und konstruktiv reagiert werden kann.

Eure Institution verfügt über einen Verhaltenskodex zum Schutz vor Diskriminierung. Der Kodex ist allen bekannt und wird regelmäßig überarbeitet. 

> Durch den Verhaltenskodex gibt es eine Definition von Diskriminierung, die alle kennen. So können sich auch alle darauf beziehen und Diskriminierung klar benennen, um Abhilfe einzufordern.

Eure Institution ermöglicht der*dem Gleichstellungsbeauftragten / Personal- oder Betriebsrat, sich zu den Themen AGG, Anti-Rassismus etc. weiterzubilden.

> Gleichstellungsbeauftragte und Personal- / Betriebsrat haben die Aufgabe, Antidiskriminierung nach dem AGG zu überwachen und haben Möglichkeiten, sich darüber hinaus für Antidiskriminierung einzusetzen. Daher sollten sie sich entsprechend dazu fortbilden.

In eurer Institution / im Team gibt es eine konstruktive Feedbackkultur (z. B. Mitarbeiter*innengespräche, bei denen Veränderungsvorschläge ernst genommen und evtl. umgesetzt werden, Moderation bei Konflikten) und einen Umgang mit Fehlern, der Lernen ermöglicht, statt Menschen herabzuwürdigen.

 > Eine konstruktive Feedback- und Fehlerkultur ist voraussetzungsreich. Machtstrukturen bestimmen, wer sich traut, wem Feedback zu geben. Wer mehr Macht hat (durch die offizielle oder auch inoffizielle Position) steht auch in der Verantwortung, Fehlerfreundlichkeit vorzuleben, und Räume für Feedback zu schaffen, in denen alle sich zu sprechen trauen.

In Abteilungssitzungen / Teamsitzungen ist es erwünscht, dass Mitarbeitende sich einbringen, unabhängig davon, welche Position sie haben.

> Machtgefälle sind oft subtil. Was von der Leitung als „flache Hierarchie“ bezeichnet wird, weil man* sich duzt, bedeutet nicht, dass sich alle zu sprechen trauen und gehört werden. Hier ist aktive Arbeit an der eigenen Redekultur notwendig, die Frage nach Feedback und z. B. agile Methoden, die alle Ideen einfließen lassen.

Wenn Mitarbeitende mit Marginalisierungserfahrung Kritik an Arbeitskultur, Strukturen und Programmentscheidungen äußern, wird diese ernst genommen und dient als Impuls für Veränderungen. Ihr schafft aktiv Räume für internes Feedback.

> Kritik / Feedback ist eine wertvolle Ressource. Wenn sich im Haus Mitarbeitende kritisch äußern (insbesondere die, die selbst Diskriminierungserfahrungen machen), ist das ein Kommunikationsangebot und eine Chance, das gemeinsame Arbeiten zu verbessern oder problematische Programmentscheidungen vor der Veröffentlichung zu überdenken. Ansprechbar sein, Verantwortung übernehmen. Kritik achtsam und professionell aufnehmen und damit weiterarbeiten.

Personen aus gesellschaftlich marginalisierten Gruppen arbeiten in eurer Institution / Team im Angestelltenverhältnis / als feste Mitglieder und nicht nur als freie / gelegentlich beschäftigte Mitarbeiter*innen.

> Sicherere Beschäftigungsverhältnisse sind im Kulturbereich rar. Dennoch haben diese oft mehrfach privilegierte Personen inne, da sie sich besser qualifizieren und durchsetzen konnten. Nur wenn marginalisierte Kulturschaffende ein einigermaßen sicheres Beschäftigungsverhältnis haben, können sie sich kritisch einbringen und längerfristige Veränderungen mitentwickeln.

Personen aus gesellschaftlich marginalisierten Gruppen arbeiten bei euch in Leitungspositionen.

> Siehe vorheriger Punkt. In Leitungspositionen haben marginalisierte Kulturakteur*innen die Möglichkeit, selbst Strukturen zu verändern, die Ausrichtung zu bestimmen und über die Verwendung von Mitteln zu entscheiden. Eine marginalisierte Person mit der Leitung zu betrauen führt jedoch nicht automatisch zu einem diskriminierungs- und machtkritischen Arbeiten. Dieses muss vom ganzen Team mit erarbeitet, eingefordert und durchgesetzt werden.

In euren Stellenausschreibungen werden Selbstbezeichnungen von marginalisierten Gruppen verwendet, wenn ihre Bewerbung ausdrücklich erwünscht ist (wie z. B. PoC, Schwarz, queer, Taub etc.).

> Ein allgemeiner Hinweis, Bewerbungen „von allen gesellschaftlichen Gruppen, besonders von benachteiligten“ seien willkommen, verrät nichts über euren Umgang mit Antidiskriminierung. Eine Formulierung, die mit Selbstbezeichnungen arbeitet, lässt erkennen, dass ihr euch damit auseinandergesetzt habt, und kann Vertrauen schaffen. Ein Satz dazu, warum ihr euch diese Bewerbungen wünscht und welche Maßnahmen zu Antidiskriminierung und Barriereabbau ihr bereits umsetzt, kann dieses noch erhöhen.

Bei einem Bewerbungsgespräch wählen Personen mit Diskriminierungserfahrungen den*die neue*n Mitarbeiter*in mit aus.

> Wer bei euch (mit)entscheidet, zeigt den Bewerber*innen viel über eure Struktur und kann Vertrauen schaffen oder auch abschrecken.

Bei der Auswahl werden auch Werdegänge berücksichtigt, die nicht geradlinig verlaufen sind (z. B. zweiter Bildungsweg, nicht anerkannte / beendete Bildungsabschlüsse, Arbeitslosigkeit, Krankheit).

> Marginalisierung führt oftmals zu Umwegen in der Bildungsbiografie, etwa, weil jemand Geld verdienen musste und sich kein Masterstudium oder Praktikum leisten konnte. Wertschätzend damit umzugehen bedeutet, die Potentiale, Erfahrungen und Perspektiven zu sehen, die sich dahinter verbergen.

In deiner Institution / im Team werden Bedürfnisse zur barrieresensiblen Gestaltung von Arbeitsplätzen berücksichtigt (angepasste Software, Büromobiliar, Workload, flexible Arbeitszeiten etc.).

> Barrierefreiheit umfasst mehr, als einen Aufzug zu haben. Alle Mitarbeitenden haben unterschiedliche Bedürfnisse. Von rückenschonendem Mobiliar über die Anschaffung spezieller Software oder die Organisation von Verdolmetschung bis hin zu Umbauten, die Zugänge erleichtern. Selten ist alles gleichzeitig notwendig. Am Wichtigsten ist jedoch eine Arbeitskultur, die verschiedene Bedarfe anerkennt und flexibel angepasst werden kann. Zugang ist kein Luxus, sondern laut UN-BRK ein Menschenrecht und von öffentlich geförderten Institutionen umzusetzen.

Die aktuelle Barrieresituation eurer Arbeits- und Veranstaltungsräume wird auf der Webseite gut verständlich dargestellt.

> Eine transparente Darstellung der aktuellen Zugänge und der noch vorhandenen Barrieren ist eine große Hilfe, da sich behinderte Kolleg*innen und Besucher*innen so selbst ein Bild machen können, ob sie unter diesen Bedingungen vorbeikommen wollen (hier ein Good-Practice-Beispiel der Sophiensaele). Nicht vergessen: eine Telefonnummer und E-Mail-Adresse für Nachfragen anbieten.

In deiner Institution / Team gibt es unter Interessierten einen regelmäßigen Austausch zu Antidiskriminierungsthemen, die zum Abbau von strukturellen Barrieren führen (z. B. Diversitäts-AG).

> Regelmäßige Treffen zum Thema Diversitätsentwicklung und Antidiskriminierung und die Gründung einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Arbeitsbereichen und Ebenen, fördern eine nachhaltige Veränderung der Institution / der Gruppe. Das Wissen und die Arbeit liegen so nicht nur bei einzelnen Personen, sie erreichen verschiedene Abteilungen, die Arbeit wird auf mehrere Schultern verteilt und eine Lobby wird gebildet, die mehr Durchsetzungskraft hat, Expertise generiert und ansprechbar für das Thema ist.

Es gibt in deiner Institution / Team das Bemühen, Barrieren, die durch strukturelle Diskriminierung entstehen, ausfindig zu machen und zu überwinden („Hiring for Potential“, konstruktiver Umgang mit Kritik, Antidiskriminierungsfortbildungen für Mitarbeitende). 

> Wenn die Institution bisher eine eher privilegierte Mitarbeiter*innenschaft hat, sind Barrieren, denen marginalisierte Kulturschaffende begegnen, meist nicht so einfach zu erkennen, da die bisherige Institutionskultur so selbstverständlich erscheint. Sucht euch aktiv Feedback von den Communitys, die ihr erreichen wollt (z. B. in Fokusgruppen oder als Critical Friends, angemessen entlohnt).

In deiner Institution / Team wird gefördert, dass Mitarbeitende von einem Einstiegsjob (Praktikum, Assistenz, Volontariat) zu einer inhaltlich verantwortlichen Position aufsteigen können.

> Oft machen nur die Menschen Karriere, die verschiedene Privilegien im Gepäck haben: eine anerkannte Ausbildung, Beziehungen zur Leitungsetage oder ähnliches. Gebt ihr auch darüber hinaus Möglichkeiten, sich zu entwickeln? Können Assistent*innen auch eigene Projekte umsetzen und bekommen dafür Zeit und Budget? Gibt es nach dem Volontariat Chancen auf eine Anstellung? Betreibt ihr aktives Mentoring, um marginalisierte Kulturschaffende in Entscheidungspositionen zu bringen?

Bei der Besetzung von Panels / Stückbesetzung / Auswahl von Exponaten bemüht ihr euch um eine diverse Besetzung (z. B. durch interne Orientierungszahlen).

> Sich vor Augen zu führen, wie diversitätssensibel eure Auswahl ist (egal bei welchem Thema), ist der erste Schritt, um strukturelle Barrieren aufzuspüren. Der nächste ist, den eigenen Horizont zu erweitern und Künstler*innen und Expert*innen kennenzulernen, die noch nicht so oft im Rampenlicht stehen wie andere.

Deine Institution / Team arbeitet in der Konzeptionsphase mit marginalisierten Communitys zusammen, wenn es in dem Stück / der Ausstellung / Veranstaltung um sie geht. 

> Wenn Antidiskriminierung / Ausschlüsse Thema einer Veranstaltung sind, ist es unerlässlich, mit Communitys zusammenzuarbeiten, die diese Ausschlüsse betreffen und die womöglich als Selbstorganisation seit Jahrzehnten zu genau diesem Thema arbeiten. Ihr garantiert so, dass die Inhalte durch das vorhandene aktivistische Wissen geprägt sind und dass ein Kontakt zu relevanten (neuen) Zielgruppen entstehen kann.

Wenn marginalisierte Communitys Kritik am Programm äußern, wird diese ernst genommen und dient als Impuls für Veränderungen. Und / oder: Ihr schafft aktiv Räume für Feedback unterschiedlicher Communitys zu eurem Programm.

> Kritik / Feedback ist eine wertvolle Ressource. Oft werden Institutionen erst kritisiert, wenn sie beginnen, sich zu verändern, da erst dann die Hoffnung besteht, dass sich dort auch etwas ausrichten lässt. Kritik ist ein Kommunikationsangebot und eine Chance, dazu zu lernen. Ansprechbar sein, Verantwortung übernehmen. Kritik achtsam und professionell aufnehmen und damit weiterarbeiten.

Bei Zusammenarbeit mit marginalisierten Akteur*innen werden diese für ihre Beratungsleistung / Co-Konzeption vergütet.

 > Eine Beratungsleistung, die das über lange Zeit erworbene Wissen von Selbstorganisationen und Einzelpersonen in Anspruch nimmt, sollte immer vergütet sein. Um so mehr, weil Selbstorganisationen marginalisierter Akteur*innen meistens prekär finanziert und Einzelpersonen oft in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen tätig sind.

Es gibt unter den Programmverantwortlichen einen Austausch darüber / ein Verständnis, was problematische künstlerische Praktiken und Darstellungen sind (z. B. Black Facing, Cripping Up, kulturelle Aneignung).

> Wird während der Kunstproduktion aktiv die Möglichkeit geschaffen, über die Umsetzung zu diskutieren und auf problematische künstlerische Praktiken oder Sprache hinzuweisen? Werden die Hinweise gehört und ernst genommen? Gerne wird „Kunstfreiheit“ beschworen, um sich nicht mit rassistischen und ableistischen Praktiken auseinanderzusetzen. Verboten sind diese Darstellungen nicht. Fragt euch aber, ob ihr euch für eine Darstellung entscheiden wollt, von der bekannt ist, dass sie marginalisierte Menschen verletzt, stereotypisiert, lächerlich macht und als anders markiert.

Geschichten von Figuren, die zu marginalisierten sozialen Gruppen zählen, werden differenziert und nicht klischeehaft dargestellt. 

> Hier hilft als Ausgangspunkt die Frage: Wer soll sich von unserer Kunst repräsentiert und angesprochen fühlen? Wessen Werke werden ausgewählt, wer inszeniert oder kuratiert sie und aus welcher Perspektive? Stereotype zu wiederholen, bestärkt bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten; ein privilegiertes Publikum kann klischeehafte Darstellungen genießen, ohne neue Erkenntnisse über strukturelle Ungleichheiten zu erhalten. Marginalisierten Zuschauenden wird gezeigt, dass sie nicht als Publikum wahrgenommen werden, sondern als „andere“, über die man* sich lustig machen kann oder die nur dazu dienen, die Identifikationsfiguren in einem bestimmten Licht darzustellen.

Barrierefreie Angebote wie Bodenleitsystem, treppenloser Zugang, Ruheräume, Verdolmetschungen, Audiodeskription, Relaxed Performances etc. werden bereits bei der Konzeption des Programms mitgedacht.

> Den Barriereabbau gleich von Anfang an mitzudenken, ist zeitsparend und ermöglicht, dass die Zugänge zu einer Veranstaltung / Aufführung / Ausstellung nicht nur äußerlich funktionieren, sondern idealerweise Teil des Kunstwerkes sind. Barriereabbau kommt in der Regel allen Besucher*innen zugute. Vielleicht geht nicht alles auf einmal, aber jedes Mal ein bisschen mehr.

Wenn in deiner Institution / Team über Zielgruppen für euer Programm gesprochen wird, werden keine Mutmaßungen geäußert wie „Die interessieren sich nicht für …“ oder „Die sind immer …“

> Wenn neue Zielgruppen bzw. Zielgruppen neu angesprochen werden, ist es empfehlenswert, mit Fokusgruppen oder mit Critical Friends aus den jeweiligen Communitys zusammenzuarbeiten. So wird gewährleistet, dass die Angebote tatsächlich an die Bedarfe der Zielgruppen anknüpfen, deren Interessen berücksichtigen und so auch besser angenommen werden. Ein Negativbeispiel sind Verdolmetschungen von Musikprogrammen für Taube Menschen, die in der Tauben Community kritisch diskutiert werden, weil sie oft eher der Idee der Hörenden entsprechen und am eigentlichen Bedarf (Programm, das nicht den Hörsinn in den Fokus stellt) vorbeigehen.

Es gibt Informationen dazu, welche Besucher*innen euer Programm gerne besuchen und warum manche Gruppen sich weniger für euer Programm interessieren.

> Eine Evaluation des eigenen Publikums und seiner Interessen kann Aufschluss darüber geben, wen euer Programm tatsächlich anspricht und auch wer eventuell fehlt. Achtung: Um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, sollte die Befragung diskriminierungssensibel durchgeführt werden, so dass sich Menschen mit Marginalisierungserfahrungen in den Fragen wiederfinden. Um eine diskriminierungssensible Umfrage zu gestalten, ist fundiertes Vorwissen bzw. professionelle Beratung notwendig.

Die marginalisierten Publikumsgruppen, die ihr erreichen wollt, sind in deiner Institution / Team als Mitarbeitende im Bereich Programm repräsentiert. 

> Eine Person ist nicht automatisch aufgrund einer Diskriminierungserfahrung in der Lage, ein diskriminierungssensibles Programm zu gestalten. Es sollten auch nicht einzelne Personen für eine Community sprechen müssen (Tokenism). Erfahrungsexpertise kann das Programm aber deutlich weiter bringen, wenn sie auch an Gestaltungsspielräume geknüpft ist. Einen Schwerpunkt zu Postkolonialismus, der nur von weißen Mitarbeitenden kuratiert wurde, oder eine Veranstaltung zu Ableismus, an der keine Expert*innen mit Behinderung mitgearbeitet haben, laufen Gefahr, Ausschlüsse oder Diskriminierungen zu wiederholen und wichtige Diskussionspunkte zu übersehen. Ein Gute-Praxis-Beispiel ist die Ausstellung „ZurückGESCHAUT“ im Museum Treptow, die nach Kritik durch Schwarze Expert*innen  vollständig und gemeinsam mit Selbstorganisationen überarbeitet wurde.

Idealerweise geht die Zusammenarbeit jedoch über die Projektarbeit hinaus.

Bei Ankündigungstexten, Anmeldeformularen, Programmflyern etc. wird auf Barrierefreiheit geachtet (kompatibel für Lesegeräte, Leichte Sprache, Piktogramme, Brailleschrift, DGS etc.).

> Für wen sind eure Materialien überhaupt zugänglich? Öffentlich geförderte Institutionen müssen ein Mindestmaß an Barrierefreiheit gewährleisten. Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich an die verschiedenen Möglichkeiten heranzutasten und sich dabei gegebenenfalls professionelle Beratung zu holen.

In einem Vermittlungs- / Bildungsangebot werden unterschiedliche Methoden eingesetzt, um möglichst viele Fähigkeiten und Interessen zu berücksichtigen.

> Im Bereich der kulturellen Bildung mit Kindern und Jugendlichen passen die Vermittlungsangebote beispielsweise oft nicht zu den Teilnehmenden und sind ausgerichtet an einem veralteten Verständnis von Vermittlung (hoch-)kulturellen Wissens. Angemessen wäre ein Angebot, das die Erfahrungen, Interessen und das Wissen der Teilnehmenden auf allen Ebenen berücksichtigt, inhaltlich sowie in der Form und Arbeitsweise, und bestenfalls über das einmalige Angebot hinausweist.