Text-Bild-Grafik: Unscharfe Buchstaben am Rand der Grafik. In der Mitte, in einem beigen Kreis, lässt sich der Text "Das Kleingedruckte lesen" erkennen.

Text: Melmun Bajarchuu

 

Dieser Text soll ein grundlegendes Verständnis von Verträgen im Kulturbereich vermitteln. Gerade für (mehrfach) marginalisierte Menschen ist der Zugang zu Tätigkeiten im Kulturbereich mit Hürden und Hindernissen verbunden; Verträge können ein solches Hindernis darstellen. Daher will dieser Text zusammenfassen, was es bei Verträgen zu beachten gilt und warum es sich lohnt, sie genauer zu lesen – auch mit Unterstützung durch andere.

Im Folgenden werden vier Punkte angesprochen:

  • Allgemeine Informationen zur Bedeutung von Verträgen und verschiedenen Vertragsformen
  • Praxistipps zum Umgang mit Verträgen als Selbständige im Kulturbereich
  • Eine Übersicht über aktuell verfügbares Material zu Verträgen und Vertragsfragen im Kulturbereich (mit Fokus auf Darstellende Künste, Bildende Künste, Musik und Literatur)
  • Hinweise zu Interessensvertretungen der jeweiligen Branchen.

 

 

Allgemeine Informationen zur Bedeutung von Verträgen und verschiedenen Vertragsformen

Zuallererst: Es gibt nicht „den perfekten Vertrag“. Ein Vertrag hält die Absichten von Menschen, die miteinander arbeiten wollen – die Vertragsparteien – fest. Er ist eine Vereinbarung über die Grundlagen und Bedingungen der Zusammenarbeit. Verträge sind dazu da, beiden Vertragsparteien eine Sicherheit zu geben. Aber die Sicherheitsbedürfnisse können voneinander abweichen. Daher ist es wichtig, diese miteinander abzustimmen. Ein Vertrag ist ein Versprechen, das sich beide Seiten gegenseitig geben.

 

Es kann immer passieren, dass im Vorfeld nicht an alles gedacht wurde. Aber es lohnt sich an die Dinge zu denken, die immer wieder auftauchen. Deshalb arbeiten viele Institutionen im Kulturbereich mit Vorlagen für Verträge, die dann für die individuelle Zusammenarbeit angepasst werden. Diese sind manchmal nicht auf dem neuesten Stand – z. B. wenn es gesetzliche Änderungen gibt oder sich wie im Fall von Corona gesellschaftlich sehr viel sehr schnell verändert (Nutzungsrechte bei Online-Angeboten oder Corona-Ausfallbedingungen). Diese Vertragsvorlagen werden meist von Jurist*innen vorbereitet oder ausgearbeitet. In der Regel vereinbaren jedoch Nicht-Jurist*innen wie Produktionsleitungen oder Verwaltungsangestellte Verträge. Diese können manchmal die Einzelheiten nicht genau erklären, z. B. im Fall von Nutzungsrechten, müssen aber die Vorlage nutzen. Es ist also für beide Seiten gut zu wissen, was genau sie miteinander vereinbaren – welche Rechte und Pflichten für wen dort festgehalten sind.

 

Sehr wichtig ist die Unterscheidung der Art des Vertrags: Handelt es sich um einen Vertrag für Angestellte oder für eine freie Mitarbeit? Bei einer Anstellung wird ein Dienstvertrag geschlossen, es handelt sich dann um ein reguläres abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Im Kulturbetrieb ist die freie Mitarbeit üblich; sie wird unterschieden in Honorarvertrag und Werkvertrag. Als freie*r Mitarbeiter*in werden Aufträge für eine*n Auftraggeber*in ausgeführt. Die Leistung wird als Selbständige*r erbracht, d.h. die Sozialversicherungsbeiträge zahlt die Auftragnehmer*in selbst. Hier auf der Seite des Performing Arts Programms findet ihr eine gute Übersicht zum Unterschied zwischen den verschiedenen Vertragsformen sowie zwischen den Angestellten- und Selbständigen-Verträgen.

 

Was beinhaltet ein Vertrag für die freie Mitarbeit (unter anderem):

  • Nennung der beteiligten Vertragspartner*innen (mit Namen und Adressen)
  • Vertragsgegenstand bzw. Art und Beschaffenheit der Leistung (Leistungsumfang, Leistungsbeschreibung)
  • Dauer der Zusammenarbeit (Angabe Endtermin, Leistungsdatum oder vereinbarte Laufzeit)
  • Höhe des vereinbarten Honorars (ggf. die Vereinbarung Ratenzahlungen)
  • Welche weiteren Kosten übernommen werden (Fahrtkosten, Unterkunft etc.)

 

Hier findet ihr eine gute Übersicht von Touring Artists – allerdings auch mit weiteren Bestandteilen, die für internationales Touring relevant sind.

 

Vorsicht vor Scheinselbständigkeit

Wenn eine selbständig arbeitende Person nur für eine*n Auftraggeber*in tätig ist, handelt es sich nur um eine scheinbare Selbständigkeit. Hier spart der*die Auftraggeber*in Kosten für Sozialversicherungsbeiträge und weitere Kosten für ein Angestelltenverhältnis wie z.B. die Lohnsteuer. Eine Beschäftigung unter diesen Bedingungen stellt keine selbständige Arbeit dar, es handelt sich um eine abhängige Beschäftigung mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten.

 

Grundsätzliches Wissen zu Verträgen

Wie der Name schon sagt, geht es darum, dass die Menschen, die einen Vertrag miteinander abschließen, sich vertragen, also sich einig sind.

Dabei macht die auftraggebende Seite ein Angebot und die auftragnehmende Seite kann das Angebot annehmen. Wenn es noch Änderungen geben soll, kann der*die Auftragnehmer*in den*die Auftraggeber*in bitten, die Änderungen zu übernehmen.

Es muss keinen schriftlichen Vertrag geben (seltene Ausnahmen sind beispielsweise kurz befristete Arbeitsverträge oder Mietverträge). Eine mündliche Auftragserteilung an eine selbständig arbeitende Person ist auch gültig (rechtsverbindlich), aber es ist besser die einzelnen Punkte der Abmachung schriftlich festzuhalten. Denn im Streitfall steht Wort gegen Wort und es kann nicht nachgewiesen werden, wer Recht hat – außer es gibt Zeug*innen.

 

Im Vertrag muss erkennbar sein, was die Absicht der Vertragsparteien ist, also worum es genau geht, was der zeitliche Rahmen der Zusammenarbeit ist und wie hoch das Honorar ist.

Im besten Fall ist der Vertrag miteinander abgesprochen und unterzeichnet, BEVOR die Zusammenarbeit beginnt. In dem Vertragserstellungsprozess sollte der Vertrag am besten gemeinsam gelesen werden, so dass noch offene Fragen geklärt werden können.

 

Ein Vertrag kann unterschiedlich lang sein, je nach dem, was damit beabsichtigt ist und worauf der*die Auftraggeber*in Wert legt – und ob der*die Auftragnehmer*in noch Ergänzungen benötigt.

Mögliche weitere Vertragsinhalte sind:

  • Ausfallhonorare (diese werden nur auf der Basis von vertraglichen Abmachungen ausgezahlt – hier ist es wichtig, auf die Formulierungen zu achten, um zu wissen, welche Situationen, d.h. Ausfallgründe, berücksichtigt werden)
  • Nutzungs- und Urheberrechte (teilweise sehr komplex und unterschiedlich zwischen verschiedenen Kulturbereichen)
  • Versicherungen
  • Haftungsfragen
  • Datenschutzfragen
  • Steuerregelungen für Nicht-EU-Ausland
  • Informationen zur Besteuerung (Kleinunternehmer*innenregelung oder steuerpflichtig mit 7 % oder 19 %)

 

Mögliche Vertragsanhänge sind: Technical Rider (ein Dokument mit Informationen zu technischen Anforderungen, z. B. für Gastspiele), Kontakte der Beteiligten, Welcome Sheet (ein Dokument mit relevanten Informationen zu Ansprechpersonen und Hinweisen zur Institution), andere relevante Rider wie Access Rider, Code of Conduct, Zeitplan (der ggf. aktualisiert werden kann), Inventarliste Institution (Technical Rider der Institution).

 

Wichtig zu wissen

Verträge können Macht- und Druckmittel sein. Gerade durch die rechtliche Sprache, das sogenannte Juristendeutsch, kann es schwerfallen, sich mit dem eigenen Vertrag genauer auseinanderzusetzen.

Aber es ist wichtig sich klarzumachen, dass der Vertrag BEIDEN Seiten nützlich sein soll, in dem er sowohl Rechte als auch Pflichten von beiden Vertragsparteien festhält.

Und: Wenn du kein Deutsch sprichst oder nicht ausreichend, um einen Vertrag auf Deutsch zu verstehen, frage, ob der*die Auftraggeber*in dir den Vertrag übersetzt. Meist wird eine rechtsgültige Übersetzung nicht möglich sein, weil es zu teuer ist. Aber eine einfache Übersetzung, die ihr gemeinsam durchgeht, sollte möglich sein, um auch dir eine gute Basis für die Zusammenarbeit zu geben.

 

Einige Verträge sind sehr lang, das liegt oft an der Struktur des*der Auftraggeber*in und wogegen sie sich schützen möchte bzw. welche Themen sie über die Jahre angesammelt hat. Manche der Themen können für dich irrelevant sein, d.h. du kannst sie streichen lassen, wenn es nichts mit eurem Vertragsverhältnis zu tun hat.

 

Es ist hilfreich, wenn du dich mit den Verträgen, die du unterzeichnest, genauer beschäftigst, weil darin DEINE RECHTE festgehalten sind, aber auch DEINE PFLICHTEN, also wozu du dich in einem bestimmten Zeitraum verpflichtest.

 

Festlegen der Zusammenarbeit

Manche Verträge haben zusätzliche Klauseln als Anhänge, andere haben Codes of Conduct oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs). Es ist auch wichtige, diese durchzulesen, um die genauen Grundlagen der Zusammenarbeit zu kennen.

 

Klauseln zu Antirassismus oder Antidiskriminierung

In einigen Verträgen findet sich mittlerweile eine Klausel zu Antirassismus oder Antidiskriminierung. Für Angestellte greift immer das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die Klausel schließt eine Gesetzeslücke, die vornehmlich Selbstständige betrifft und erweitert sie um zusätzliche Verpflichtungen für den*die Arbeitgeber*in. Wichtig ist hier, dass es auch einen vertraglich festgehaltenen transparenten Prozess gibt, wie eine Diskriminierungsbeschwerde behandelt wird und an welche (unabhängige) Stelle sich Betroffene wenden können. Das bedeutet, dass ihr bei der Institution ruhig nachfragen solltet, wie der Ablauf ist, wenn es zu einer Diskriminierung kommt – entweder durch euch oder wenn ihr eine Diskriminierung im Rahmen der Zusammenarbeit erlebt.

 

Wichtig ist zu wissen, dass die Einführung dieser Klauseln eine rechtliche Grundlage hat, d.h. es gibt Gesetzgebung dazu. In der Langversion des Call for Access im Kapitel „Rechtsrahmen für Antidiskriminierung im Kulturbereich“ findet ihr mehr dazu.

 

Urheberrecht

Urheberrechte und Leistungsschutzrechte sind nicht ganz unkompliziert. Daher hier der Verweis auf einen Überblick durch die Kanzlei Laaser. Wichtig ist, dass geklärt ist, wie die Urheber*innen genannt sind, also welche „Credits“ gegeben werden.

 

Die Nutzungsrechte klären, was wann zu welchem Zweck genutzt wird. Nutzungsrechte sind Teil des Urheberrechts. Die Person, die Urheberrechte an einem Werk besitzt, kann Verwertungsrechte ausüben, d.h. anderen erlauben, ihr Werk unter bestimmten Umständen zu nutzen. Nutzungsrechte können räumlich, zeitlich und inhaltlich beschränkt übertragen werden. Es gibt unterschiedliche Nutzungsrechte, z. B. das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht, das Ausstellungsrecht, das Vortragsrecht, das Aufführungs- und Vorführrecht, das Senderecht oder das Recht der Wiedergabe.

 

Praxistipps zum Umgang mit Verträgen (z.B. Vorlagen, Formulierungsbeispiele)

Gut zu wissen:

In sehr vielen Verträgen mit Selbständigen stehen Verschwiegenheitsklauseln. In einem Angestellten-Verhältnis sind sie dazu da, Betriebsgeheimnisse zu schützen bzw. auch den Ruf des Unternehmens zu schützen. Wenn in eurem Vertrag eine solche Klausel steht, könnt ihr mit der*dem Auftraggeber*in besprechen, was sie in eurem Arbeitsverhältnis bedeutet, worauf sie sich bezieht und ob ihr das dann auch genauer ausformulieren könnt. Ihr könnt auch die Streichung der Klausel für eure freie Mitarbeit erfragen.

 

Bei Honoraren immer besprechen, ob es sich um ein Netto- oder Bruttohonorar handelt. Honorare sind auch verhandelbar – ihr müsst nicht das erste Angebot annehmen, das euch gemacht wird. Eine Orientierung bieten Mindesthonorarempfehlungen der Verbände. Es kann aber sein, dass der*die Auftraggeber*in mit einem kleinen Budget arbeitet und keinen Handlungsspielraum hat – aber fragen kannst du auf jeden Fall!

Wenn ihr als Team arbeitet, sprecht über eure Vertragsbedingungen, damit im besten Fall gleiche Bedingungen herrschen.

 

Gib nicht einfach deine Nutzungsrechte ab. Kläre im Vorfeld, in welchem Rahmen deine Arbeit gezeigt oder genutzt werden soll und besprich die Einzelheiten. Wenn es keine explizite Erwähnung von Nutzungsrechten im Vertrag gibt, gelten die gesetzlichen Vorgaben, die in der Regel eher zu deinem Vorteil sind als Künstler*in.

 

Wenn ihr euch unsicher seid, was ihr machen könnt, versucht auf jeden Fall mit anderen Menschen darüber zu sprechen, entweder Kolleg*innen oder Beratungsstellen eurer Sparte. Wenn ein vertragsbezogener Diskriminierungsfall vorliegt, könnt ihr euch auch direkt an unsere Antidiskriminierungsberatung wenden oder an weitere allgemeine Antidiskriminierungsstellen.

 

Um euch die Sache etwas greifbarer zu machen, hier zwei Beispiele, welche Probleme sich aus unklaren Vertragsverhältnissen ergeben können:

 

  • Die selbständig künstlerisch tätige Person hat begonnen zu arbeiten, bevor ihr der Vertrag vorlag. Die Ausgaben (z.B. Materialkosten, Fahrtkosten), die ihr entstanden waren, sollten nicht übernommen werden, weil sie im finalen Vertrag nicht festgehalten wurden. Wir nehmen mit: Immer auf den Vertrag in Endfassung bestehen, bevor die Tätigkeit aufgenommen wird, damit es keine Missverständnisse darüber gibt, was im Vertrag festgehalten ist und was nicht.

 

  • In der Zusammenarbeit zwischen einem freiberuflich arbeitenden künstlerischen Team und einer Kulturinstitution kommt es zu Konflikten. Eine Person aus der Institution macht dem Team die Erfüllung einer bestimmten Tätigkeit zur Auflage für die Auszahlung des noch ausstehenden Honorars. Wir nehmen mit: Die Leistungen müssen im besten Fall detailliert beschrieben werden. Wenn Teilzahlungen des Honorars in Raten vorgesehen sind (das hat damit zu tun, dass es in der Regel keine Vorauszahlungen geben kann, also eine Zahlung erst nach erfolgter Leistung getätigt werden kann), sollte genau festgehalten werden, bis wann welche (Teil-)Leistung zu erbringen ist.

Praxisanleitung zu verschiedenen Themen, Heft 4: Rechtliche Grundlagen und Kommunikation

Über die Autorin

Melmun Bajarchuu bewegt sich an den Grenzbereichen von Kunst, Theorie und Politik als Denkerin und Diskurspartnerin und übernimmt in kollaborativen künstlerischen Prozessen diverse Rollen, u.a. als critical companion, Kuratorin und Produktionsleitung. Der Wunsch nach Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen sowie die Hinterfragung bestehender Strukturen und dazugehöriger Machtverhältnisse und Ausschlussmechanismen treiben sie an. Ihr besonderes Interesse gilt der Verwebung von Theorien und Praktiken im Kontext poststrukturalistischer, post- und dekolonialer sowie queerfeministischer Fragestellungen. Sie engagiert sich in der Initiative für Solidarität am Theater und bei der produktionsbande für intersektionale Perspektiven und gerechtere Arbeitsbedingungen in den Darstellenden Künsten. Seit 2020 ist sie als Peer-to-Peer Beraterin im Bereich Antidiskriminierung beim Performing Arts Programm Berlin (PAP) tätig.

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