Aktenschränke mit geöffneten Schubladen, aus denen Zettel fliegen, eine Uhr und ein Stundenglas, Zeitungsartikel, Jahreszahlen

Text: Princela Biyaa und Marny Garcia Mommertz 

 

Im Februar 1992 fand ein Gespräch zwischen der Schwarzen deutschen Friedensaktivistin und Musikerin und der Schwarzen Wissenschaftlerin und Theoretikerin Tina Campt statt. Diese Tonaufnahmen vom 2. und 4. Februar 1992, die Campt digitalisieren ließ, geben uns Einblicke in das Leben und die Erfahrungen Fasia Jansens als Schwarze Frau in Deutschland und prägten unserer Recherche zu ihrer Person nachhaltig.

 

Geboren wurde Fasia Jansen 1927 als Tochter des deutschen Zimmermädchens Elli Jansen und dem liberianischen Generalkonsul Momulu Massaquoi (1869 - 1983) in Hamburg. Ihr Vater musste Deutschland noch vor ihrer Geburt verlassen und so wächst Fasia Jansen mit ihrer Mutter, später auch mit ihrem Stiefvater und ihrer Halbschwester mütterlicherseits, in Rothenburgsort, einem Arbeiterbezirk in Hamburg, auf.

 

Während unserer ersten Recherchemonate im Jahr 2020 setzten wir uns vor allem mit Ethiken der Archivarbeit auseinander. Wir fragten uns, wie wir verantwortungsbewusst und im Sinne Fasia Jansens mit ihren persönlichen Aufzeichnungen und Erinnerungen umgehen wollen. In Campts Gespräch mit Jansen stießen wir auf eine Erzählung, in der die Friedensaktivistin davon spricht, dass sie ganze Säcke ihrer Tagebücher weggeschmissen habe, da sie “nackt” für ihre Nachwelt dastehen wolle. Was bedeutet es, mit diesem Wissen für uns heute beispielsweise ihre privaten Briefe zu lesen?

 

Die Schwierigkeit einen Zugang zu diesen Themen zu finden, führte dazu, dass wir uns in unserer anfänglichen Recherche vor allem auf die Geschichten Schwarzer Menschen, Vorbilder und Wegbegleiter*innen fokussierten, die in Fasia Jansens Leben traten. Darunter waren unter anderem Menschen wie Josephine Baker, Angela Davis oder auch Vivian Seton und Princess Fatima Massaquoi. Letztere sind Teil ihrer Familie väterlicherseits.

 

Ein weiterer Schwerpunkt war die Suche in den uns zugänglichen Archivalien nach Hinweisen zu ihrem Selbstverständnis und ihrer Positionierung als Schwarze Deutsche. Doch fanden wir in den limitierten Archivalien nicht die Antworten, die wir suchten. Es fiel uns schwer, einen Zugang zu Fasia Jansen als Person zu finden. Dies hatte damit zu tun, dass die Themen, mit denen sie sich auseinandersetze, für uns auf den ersten Blick nichts mit unseren Fragen zu ihrer Positionierung und unseren Realitäten zu tun zu haben schienen. Nach ihren traumatischen Erfahrungen der Zwangsarbeit im Außenlager des KZs war nicht nur Gerechtigkeit von zentraler Bedeutung. Auch Klimaschutz, Frieden und Pazifismus wurden in ihren politischen Reden und Liedern zum Thema.

 

Durch die Übergabe von Jansens Nachlass an das Fritz-Hüser Institut im Dezember 2021, haben wir neben den Audiomaterialien Campts außerdem Einsicht in ihre privaten Aufzeichnungen und Notizen erhalten. Dieser institutionelle Zugang ließ uns erstmals einen genaueren Blick auf Fasia Jansens aktivistisches und musikalisches Lebenswerk werfen.

 

 

Als politische Liedermacherin durch Europa

 

Mit ihrem musikalischen Schaffen setzte Fasia Jansen sich vor allem für die Arbeiter*innenbewegungen im Ruhrgebiet ein. So beispielsweise für die Hoesch-Fraueninitiative in den ‘80-ern1 . Weitere Beispiele sind ihr Engagement in der Friedensbewegung gegen Atomwaffenkriege sowie für Anti-Rassismus und Anti-Faschismus, wofür sie mit staatlichen Repressionen konfrontiert war.2  Mit einem bunt bemalten Bus tourte sie mit ihren Weggefährtinnen durch ganz Europa und gab Konzerte in unterschiedlichsten Kontexten von Protestmärschen bis hin zu internationalen Konferenzen. Inspiration für ihre Liedtexte nahm sie aus persönlichen Notizen und Gesprächen, coverte Lieder und Melodien von bekannten politischen Liedermacher*innen und englische Lieder, wie z.B. Bob Dylan oder Dieter Süverkrüp, deren Liedtexte sie teils ins Deutsche übersetzte oder auf Englisch neu einsang. Begleitet von Skiffle-Musik, Gitarre, Banjo, Ukulele und Bass, sang sie Folksongs in mitreißenden Jazz- und Bluesversionen. Dabei kamen auch  improvisierte Instrumente wie Waschbretter, Teekisten oder Löffel zum Einsatz.

 

Viele ihrer Liedtexte und Notenblätter geben Aufschluss über ihre politische Position. Jansen spricht sich in ihren Texten gegen jegliche Form der Unterdrückung aus, singt von ihrem Wunsch einer Zukunft ohne Gewalt und Krieg und fordert Menschen zum Protest auf. Außerdem gibt es Tagebucheinträge und Aufnahmen, Dokumentationen von Workshops mit Kindern und Jugendlichen zum Thema Frieden, sowie detaillierte Berichte von Reisen zu Friedenskonferenzen. Ihren Aktivismus und Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden interpretieren wir als ein Resultat ihres Traumas als Holocaust-Überlebende und ihrer Erfahrungen als Schwarzes Mädchen und Frau in Deutschland. 

 

Multimediale Ausdrucksformen 

 

In Bezug auf ihre Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs fällt die Vielfalt und Vielzahl der Medien auf, durch die sie sich ausdrückt. So gibt es nicht nur Dokumentationen von Aufnahmen, in denen sie über das Erlebte spricht, sondern auch Bilder und Zeichnungen von traumatischen Erlebnissen, die sie anfertigte oder auch persönliche Notizen und Tagebucheinträge. Das Interessante hierbei: die gleichen Geschichten tauchen in ihren Lebensabschnitten in unterschiedlichen medialen Formen auf.  

 

Diese und weitere einschneidende rassistische Erfahrungen manifestierten bereits in jungen Jahren Jansens ambivalenten Platz des “Andersseins” als Schwarze Frau in der deutschen Gesellschaft. Dennoch ist das Gespräch mit Campt das Einzige, zu dem wir Zugang haben, in dem sie mit einer anderen Schwarzen Frau ausführlich über ihr Verständnis ihres Schwarzseins spricht. Die Offenheit und zum Teil auch Leichtigkeit fällt im Vergleich zu anderen Interviews aus verschiedenen Jahren auf. 

 

Jansens Haltung gegenüber Campt, einer Schwarzen Frau, könnte auch etwas damit zu tun haben, dass sie als die einzige Schwarze Person ihrer Gemeinschaft stets isoliert war. 

 

Sie erzählt Campt, dass sie zu der Schwarzen Deutschen Bewegung in den 80’ern nicht viel Kontakt hatte, da diese eine andere Generation gewesen seien. Gleichzeitig fanden wir im Fritz-Hüser Institut ein sorgfältig aufbewahrtes, unveröffentlichtes Gedicht an Fasia Jansen von Helga Emde3 , die Teil der Afrodeutschen Frauenbewegung der 1980’er Jahre war.                 

 

Musikalische Einflüsse aus den USA

 

Im Kontrast zu ihrer isolierten Position innerhalb Schwarzer Gemeinschaften steht jedoch, dass sie auf einer kreativen Ebene im Austausch mit anderen Schwarzen Menschen stand. Eine der wenigen Live-Aufnahmen, in denen sie singt und die auf YouTube zu finden ist, hat den Titel “Jailer bring me water”, ein Gefängnissong aus dem Süden der USA. Das Lied handelt von einem zum Tode verurteilten Schwarzen Menschen, der seine Brüder und Schwestern zum Kampf aufruft. Des Weiteren war einer ihrer früheren musikalischen Einflüsse in Hamburg die Skiffle Musik, in der sich Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem Schwarze Menschen der US-amerikanischen Arbeiter*innenklasse ausdrücken. Eine tiefgehende Recherche zu den musikalischen Einflüssen Jansens ist ein Punkt in dem es noch Forschungsbedarf gibt.

 

Auch Jansens Schwarzsein und ihre Sexualität sind ein Aspekt, bei dem es noch weiterer Auseinandersetzung bedarf und zu dem sie sich zu ihren Lebzeiten öffentlich nur implizit äußerte. In einem Interview mit Christel Priemer im Jahr 1985 sagt sie beispielsweise, dass sie sich aufgrund von Rassismusvorfällen entschieden habe keine Liebe mit weißen Männern mehr zu leben.

 

Auch wenn dies Teil unserer Recherche war und wir wissen, dass sie in einer Beziehung mit ihrer Partnerin Ellen Deitrich war, bleibt vieles Spekulation. Ein Weg mit dem Unwissen umzugehen ist mit Hilfe von Kunst die Lücken zu füllen, zum Beispiel in der Film-Montage “What would Fasia say?” (AT) in der Marny Garcia Mommertz Fasia Jansen in der heutigen kubanischen Gesellschaft und deutschen Politik imaginiert und ihre fortdauernde Bedeutung in diasporischen Netzwerken erforscht, auch im Bezug auf ihre Sexualität.

 

Somit bleibt für uns die kontextuelle und historische Einordnung Jansens als Künstlerin und Aktivistin aktuell eine anhaltende, in der wir versuchen, ihr näher zu kommen, indem wir ihr zuhören. 

 

Über die Autorinnen

 

Princela Biyaa arbeitet als Kuratorin, Kulturproduzentin und Bildungsreferentin. In ihrer Arbeit fokussiert sie die Zusammenarbeit Schwarzer Künstler*innen in der Diaspora und Afrika. Sie studiert an der Universität für angewandte Kunst Wien und ist Gründerin der Plattform woven, die Erlebnisse rund um zeitgenössische afrikanische und afrodiasporische Kunst erschafft.

 

Marny Garcia Mommertz ist Autorin und Kulturproduzentin mit Schwerpunkt auf afrodiasporischen Archiven, insbesondere den Verbindungen zwischen Deutschland und Kuba. Seit 2020 erforscht sie das Erbe von Fasia Jansen, einer schwarzen deutschen Holocaust-Überlebenden, Aktivistin und Sängerin, und produziert Essays, Videoarbeiten und Fotocollagen. Marny berät Kunstinstitutionen zur Kontextualisierung von Ausstellungen, zu Archivierungsmethoden und kuratorischen Ansätzen.