Foto: © Mona Namer

Elsa M‘bala stand ursprünglich mal ganz ohne Equipment auf der Bühne und nutzte „nur“ ihre Stimme als Spoken-Word-Künstlerin. Heute stehen sieben unterschiedliche Geräte auf dem Tisch, unter anderem verschiedene Synthesizer und ein Sampler: Das Ergebnis ist Klangkunst.

Ihre größte Inspiration ist die Umgebung, in der sie sich befindet. Elsa M‘bala nimmt häufig Alltagsgeräusche auf, experimentiert damit und versucht das „Grundsummen“ zu erfassen, das zwar an jedem Ort auf dieser Welt anders klingt, aber überall vorhanden ist.

Das Gespräch im Wortlaut

Ich bin Azadê Peşmen und das ist Untold Stories ein Podcast über marginalisierte künstlerische Perspektiven und Praktiken. In dieser Folge mit Elsa M‘bala, die mir erklärt hat, was es heißt, dass jeder Ort auf dieser Welt ein ganz bestimmtes Grundsummen hat. Sie ist mittlerweile als Klangkünstlerin bekannt, angefangen hat sie aber ganz anders.

 

Azadê Peşmen: Ich hab auf Youtube gesehen, dass du so ein paar Auftritte hast, die dort hochgeladen wurden, und die sind komplett mit Gitarre. Da war ich ein bisschen verwirrt, weil ich dich eigentlich über die Klangkunst kenne, was aus meiner Sicht ein bisschen das Gegenteil ist von "Ich steh mit meiner Gitarre da und mache Musik". Das würde ich komplett in die Kategorie Musik einordnen und Klangkunst... für mich ist Klangkunst auch Musik, aber was ist Klangkunst eigentlich für dich?

 

Elsa M‘bala: Ich hab einfach angefangen, Sachen zu kreieren, bis Leute dann irgendwann dem einen Namen gegeben haben. Ich hab eigentlich mit Spoken Word angefangen. So bin ich eigentlich auf der Bühne gelandet. Ich habe Gedichte geschrieben – Black History Month in Berlin, in Hamburg – so habe ich angefangen. Und dann kam die Gitarre, um dem Ganzen ein bisschen Stärke zu geben und um das zu begleiten, damit es nicht so trocken ist. Damit die Leute es besser schlucken können. Es waren oft auch sehr politisch angehauchte Texte.

 

Azadê Peşmen: Aber braucht es immer bei politisch angehauchten Texten ein Musikbett?

 

Elsa M‘bala: Überhaupt nicht, aber ich habe dann versucht, auch mal etwas anderes zu schreiben, und dann hat die Gitarre geholfen, auch mal andere Themen anzugreifen. Das habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass ich ziemlich viel zu sagen hatte. Ziemlich viel Schmerz, der verarbeitet werden musste. Und die Gitarre hat geholfen, das Ganze etwas Weicher zu gestalten.

 

Azadê Peşmen: Wann war das zeitlich?

 

Elsa M‘bala: Das war 2011 bis 2012/2013. Da war ich wirklich nur mit der Gitarre unterwegs. Und dann war ich in Kamerun und in Kamerun hat das nicht mehr geklappt. Das passte irgendwie nicht. Ich war in Yaoundé, das ist die Hauptstadt und die ist superlaut. Die ist einfach lebendig. Ständig. Nur nachts kriegst du irgendwie Ruhe. Ich war irgendwie sehr lange ein schlafloser Mensch. Aber das habe ich in Kamerun dann sehr schnell aus mir herausgetrieben. Weil, wenn du nachts nicht schläfst, dann kannst du tagsüber nicht schlafen. Es ist einfach super laut. (lacht)

 

Azadê Peşmen: Egal, wo man ist?

 

Elsa M‘bala: Nicht egal, wo man ist. Aber ich habe halt in der Stadt gelebt. Omnisport, das ist da richtig mittendrin, neben dem Stadion. Irgendwann hatte ich dann eine Schule gegenüber. Das ging dann wirklich gar nicht mehr, tagsüber noch ein Schläfchen zu halten. Deswegen musste ich mich wirklich rhythmisch anpassen. Was mit der Gitarre dann auch geschehen ist. Die Gitarre musste dann irgendwie weggepackt werden und ich brauchte Härteres – deswegen kam der Synthesizer – um ein bisschen dagegenhalten zu können.

 

Azadê Peşmen: Nochmal zurück zur Klangkunst, weil ich vorhin einfach diesen Begriff so reingeworfen habe und du dann gesagt hast, dass du einfach angefangen hast, Sachen zu kreieren, und dann Leute dem einen Namen gegeben haben.

 

Elsa M‘bala: Ich hab dann einfach gemerkt, wie ich bis dahin Klang definiert habe. Für mich war ein Song A – B – Chores – A – B – Chores – Refrain – Ende. Ich wollte aus dieser Struktur ausbrechen. Ich hatte ja schon ein paar Jahre Musik geschrieben und auch jedes Mal, wenn ich Radio gehört habe, habe ich mich gefragt: „Machen wir eigentlich alle diesen gleichen Scheiß?!“ Ohne böse klingen zu wollen: Mich hat das irgendwann genervt. Und auch diese Erwartung. Du gehst ja auf die Bühne und willst eigentlich nur Spaß haben, aber du erwischst dich dabei, wie du versuchst, dieses Lied immer wieder perfekt widerzugeben. Und das passt irgendwie nicht zu der Idee von Kunst, zumindest nicht zu der Idee, die ich heute (von Kunst) habe.

 

Azadê Peşmen: Also das, was du heute machst, ist eher Kunst als die Gitarrenmusik, die du davor gemacht hast?

 

Elsa M‘bala: Heute finde ich mich freier. Auf der Bühne habe ich das Gefühl, dass da meine ganze Persönlichkeit mehr rüberkommt. Ich improvisiere auch sehr oft. Also ich kann nicht lügen. Das finde ich auch sehr befreiend. Ich komme nicht, um irgendeine Version von mir zu geben, die euch gefallen könnte, also als Entertainment. Genau, das ist glaube ich ein guter Begriff: Es gibt Entertainer und dann gibt es Künstler. Ich behaupte das jetzt einfach mal so. Ich habe mich sehr wie ein Entertainer gefühlt und wollte da ausbrechen. Es war auch sehr beengend. Besonders auch, weil ich in Kamerun war. Es wurde da als weiße Musik bezeichnet, Gitarrenklänge auf Englisch – also mein cleanes (akzentfreies) Englisch, kein Pidgin-Englisch, so ein Tracy Chapman Englisch – und für mich war das total Schwarz. Aber dort war das: „Ich kann nicht darauf tanzen, Alter, was soll das?!“ (lacht)

 

Azadê Peşmen: Na gut, aber wenn ich mir jetzt deine Klangkunststücke anhöre, dann ist das auch nicht so tanzbar, oder?

 

Elsa M‘bala: Überhaupt nicht. Aber das war einer der Gründe, warum die Gitarre weggefallen ist. Ich glaube, wenn ich hier in Deutschland geblieben wäre, hätte ich vielleicht auch in den Gitarrenklängen noch mehr wachsen können. Ich bereue das auch gar nicht. Ich glaube nur, dadurch dass ich in Kamerun war, habe ich dann andere Klänge erfahren. Auch andere Sprachen. Es gibt über 100 Sprachen in Kamerun. Diese Klänge sind einfach eine große Bereicherung. Wie die Zunge sich im Mundraum bewegt, ist ganz anders. Ich selbst spreche auch etwa sechs Sprachen – Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Eton, Nanga-Eboko. Die zwei letzten sind aus Kamerun. Ich weiß, dass diese Sprachen dich zwingen, dein Gehirn und deinen Mund ganz anders zu benutzen. Du kennst das bestimmt auch.

 

Azadê Peşmen: Ja, auf jeden Fall.

 

Elsa M‘bala: Ich habe Zeit gebraucht, um zu merken, dass ich mich nie sehr lange an einem Ort oder mit einer bestimmten Art von Menschen wohlfühlen kann. Ich brauch diese Balance und suche sie auch ständig. Das war auch mit dem Klang so. Ich wollte mehr erfahren. Ich wollte mehr verstehen, was Klang angeht und Rhythmus. Ich höre sehr wenig Musik. Dafür lachen meine Freunde mich aus: "Du bist Musikerin. Warum hast du keinen i-Pod?" (lacht)

 

Azadê Peşmen: Das ist eine sehr berechtigte Frage...

 

Elsa M‘bala: Ja, hab ich ja (einen i-Pod), aber ich habe aufgehört, weil ich mittlerweile sehr viel reise und in jeder Stadt eine andere Frequency (Frequenz) finde. In jeder Stadt gibt es erstmal die Klänge, die man hört, also Auto, Lärm und dann gibt es eine Frequency, die da drunter ist. So ne Art...

 

Azadê Peşmen: So ein Grundsummen.

 

Elsa M‘bala: Ja, so ein Grundsummen. Genau. Wie so ein choir (Chor) von der Erde, eine Frequenz, die ausgestrahlt wird. Ich finde es ganz interessant, diese Frequenz zu spüren. Man kann sie nur spüren, wenn man nicht denkt und auch nicht hört. Das ist so eine Art Meditation. Es ist nicht immer einfach, aber es macht ziemlich Spaß, wenn man es schafft, diesen Punkt immer wieder zu finden. Manchmal passiert das auch ausversehen. Du hast da diese Layers (Schichten), dieses Autogeräusch, vielleicht Vögel, und wenn du ganz tief rangehst, hörst du vielleicht noch dieses Summen. Das finde ich sehr, sehr spannend.

 

Azadê Peşmen: Also ganz viele unterschiedliche Schichten von Klängen.

 

Elsa M‘bala: Genau. Daher dann auch Klangkunst, weil ich angefangen habe, meine Umgebung mehr zu studieren. Das hat in Kamerun angefangen.

 

Azadê Peşmen: Da hast du dann deine Gitarre weggelegt und dir einen Synthesizer gekauft, richtig?

 

Elsa M‘bala: Erstmal ein Aufnahmegerät, damit habe ich Leute, ohne dass sie es merken, aufgenommen. In Kamerun nimmt man ein Taxi zusammen. Alle steigen ein und der Fahrer merkt sich, wohin alle gehen und lässt sie dann einzeln raus. Erstmal ist das eine unglaubliche Computerleistung: Das ist eine riesige Stadt und die Person fährt da durch und merkt sich, wer alles in seinem Auto ist und wer wo raus muss.

 

Azadê Peşmen: Ich kenne das so, dass dann Leute einfach irgendwann schreien, dass sie rauswollen und dann werden sie rausgelassen.

 

Elsa M‘bala: Das wäre auch humaner. In Kamerun muss der Typ sich das merken. Und öfters gibt es auch Streit, weil jemand vergessen hat, dass er raus muss und der Fahrer auch. Dann beleidigen sie sich gegenseitig. (lacht)

 

Azadê Peşmen: Und du nimmst das auf, weil du in der letzten Reihe sitzt und das Mikro dabeihast.

 

Elsa M‘bala: Genau. Dadurch entstehen auch sehr interessante Unterhaltungen. Man ist ja auf sehr engem Raum eingepfercht und es ist sehr warm und akward (peinlich) und dann fängt man an zu reden. Man riecht sich ja schon, warum soll man sich da nicht auch unterhalten (lacht). Und dann entstehen wirklich sehr, sehr interessante Sachen. So habe ich angefangen. Ich wollte wissen, was bei den Leuten abgeht. Ich hatte sehr viele Fragen. Nacheinander bin ich dann zur Natur zurückgekommen und habe angefangen, da Sachen aufzunehmen. Ich glaube, ich wollte gerne etwas aufnehmen, was ich nicht direkt hören kann.

 

Azadê Peşmen: Weil das Ohr auch ständig filtert?

 

Elsa M‘bala: Man denkt ständig und man filtert ständig. Der Mensch ist so faszinierend. Wir hören Sachen, die wir hören wollen. Auch wenn wir Sachen in unseren Köpfen aufnehmen, ist es nie hundertprozentig sicher, ob es wirklich so abgelaufen ist. Alle Psychiater können erklären, wie das passiert. Diese Realitätsbildung, die Kapazität des Menschen, sich die Realität zusammenzufügen, ist ziemlich beeindruckend. So habe ich angefangen: Leute aufnehmen, Kultur verstehen, irgendwo dazugehören nach Deutschland.

 

Azadê Peşmen: Also nach Deutschland im zeitlichen Sinne?

 

Elsa M‘bala: Genau. Also in meinem Kopf wollte ich nicht zurück nach Deutschland. Ich bin ausgewandert nach meinem Studium mit 22 oder 23 Jahren. Ich habe meine Sachen per Schiff nach Kamerun verfrachtet, weil ich wirklich überzeugt war, ich komme nicht zurück. Da gibt es Sonne, Essen, meine Familie, was brauche ich mehr?! Ich bin da wirklich so reingegangen und dann hat sich schnell gezeigt, dass das totaler Humbug war. Es war auf jeden Fall so eine Naivität, die mich da ran getrieben hat. Aber man wird erwachsen und dann lernt man, alles zu relativieren. Und dann denkt man, vielleicht ist doch nicht alles schlecht, nicht alles schwarz oder weiß. Die Balance zu schaffen, war ganz wichtig. Ich versuche es immer noch. Aber ich glaube, Kunst soll mir dabei helfen. Und nicht dazu beitragen, mehr aufzunehmen, sondern eher Sachen loszuwerden. Konzepte loszuwerden und Ideen, die für mich nicht funktionieren.

 

Azadê Peşmen: Das ist ja eigentlich ein Widerspruch, wenn du sagst, die Kunst hilft dir, Sachen loszuwerden, weil du ja gerade beschrieben hast, dass die Klangkunst, die du machst, so entsteht, dass du Klänge sammelst. Dann sammelst du ja total viel, dann nimmst du total viel auf.

 

Elsa M‘bala: Ich habe aufgehört. Genau das war mein Punkt. Ich arbeite nicht mehr so, wie ich in Kamerun vor zwei Jahren gearbeitet habe. Weil ich gemerkt habe, dass ich dann ziemlich schwer wurde an Ideen, an Stories von Leuten. Also wenn ich sage, die Kunst hilft mir, Sachen loszuwerden, dann geht es eher darum, Sachen zu erforschen und dann dadurch Ideen loszuwerden. Zu sehen, das klappt nicht, das klappt. Oder das war mal eine Idee von früher, aber heute ist es keine mehr. Und das kann ich auf eine gesunde Art und Weise nur mit Kunst machen.

 

Azadê Peşmen: Ich will nochmal zu den Klängen zurück und zu dem Equipment. Ich weiß nicht mehr, ob du noch so arbeitest, aber ich habe einen Auftritt von dir gesehen, in London war das...

 

Elsa M‘bala: London Art Night.

 

Azadê Peşmen: Genau. Kannst du kurz beschreiben, wie man sich das vorstellen muss, wenn du auftrittst, und was für ein Equipment du benutzt?

 

Elsa M‘bala: Ich glaube, ich bin gerade bei sieben Geräten. Ich bin aber nicht ganz sicher, weil es immer unterschiedlich ist. Mein Set Up ändert sich, je nachdem, wo ich auftrete. Bei diesem Auftritt hatte ich, glaube ich, meinen Sampler dabei, eine Loop-Station, einen analogen Synthesizer, einen digitalen Synthesizer, einen selbstgebauten Synthesizer und zwei Mikrofone.

 

Azadê Peşmen: Was ist der Unterschied zwischen einem analogen und einem digitalen Synthesizer?

 

Elsa M‘bala: Analog heißt, du produzierst den Sound selbst, indem du die bestimmten Effekte oder Modes selbst einstellst auf dem Gerät. Digital heißt, dass sie schon eingestellt sind, und du variierst und dich durch die Einstellungen bewegst, die schon vorgefertigt sind.

 

Azadê Peşmen: Und der Sampler, was ist das?

 

Elsa M‘bala: Der Sampler ist einfach so eine Soundbox. Eine riesige Soundkarte und man hat verschiedene Sounds auf Pads – das sind Druckknöpfe. Man kann auf jeden einzelnen Pad schlagen und dann ertönt ein Ton.

 

Azadê Peşmen: Ist das so ähnlich, wie diese PCM Drive Machines?

 

Elsa M‘bala: Genau, das ist ein bisschen ähnlich. Ich kann auch live mit der Maschine Sachen sampeln, also direkt loopen, extrahieren, direkt mischen mit etwas anderem und dann speichern. Und es gibt auch ein Mikrofon mit Effekten. Es ist wie eine Software, aber halt als Hardware.

 

Azadê Peşmen: Macht Sinn, vielen Dank für diese Beschreibung. Jetzt habe ich auf jeden Fall ein viel klareres Bild. Und dann gehst du auf die Bühne, hast deine sieben Geräte vor dir und improvisierst und mischst ganz viele Sounds.

 

Elsa M‘bala: Das letzte Projekt, das ich performt habe, war im Werner-Otto-Saal in Berlin vor einer Woche: Salims Salon, das waren vier elektronische Musiker aus dem globalen Süden, also aus Ägypten, aus Mauritius, aus Kongo, Belgien und ich aus Deutschland/Kamerun, und wir haben definitiv versucht, etwas anderes darzubieten. Aber ohne unbedingt zu sagen, wir sind so anders als die westlichen (Musiker*innen), weil wir auch alle ein bisschen westlich erzogen worden sind. Es war auf jeden Fall schön, mit diesen Menschen zu arbeiten, weil sie aus einer ganz anderen Ecke kommen. Ich habe sehr viel Respekt davor, weil man im globalen Süden unter schwierigeren Bedingungen arbeitet, wo es die Geräte nicht gibt. Also in Kamerun war es wirklich super hart, an Geräte ranzukommen. Öfters gibt es da auch das Verständnis für diese Art von Musik nicht. Kamerun war auch super hart, was das angeht, und dann noch als Frau.

 

Azadê Peşmen: Aber das passiert hier glaube ich auch sehr oft.

 

Elsa M‘bala: Ja, nicht?! Dieses Projekt war jedenfalls sehr schön. Sie sind zu viert auf der Bühne und komponieren halt und improvisieren auch zu Texten, die dann im Hintergrund laufen. Da hatte ich ein bisschen weniger Geräte. Vier oder so. Es ist mittlerweile auch so, dass ich sehr gern auf der Bühne improvisiere. Weil ich das wirklich sehr befreiend finde. Es gibt nicht diesen Druck: "Ich muss jetzt das üben und das muss so super gehen". Wenn ich übe, ist es nur: "Oh, das klingt gut, das würde ich gerne mitteilen".

 

Azadê Peşmen: Ein bisschen so wie Tänzer*innen, die freestylen und sich dann denken: "Ah, okay, diese Bewegung, die ist gut, die nehme ich in mein nächstes Set auf.

Elsa M‘bala: Genau so. Das finde ich echt richtig stark. Man kann sich auch vieles bei meinem Setup nicht wirklich merken. Eigentlich müsste ich die Einstellungen beim Synthesizer abmalen oder fotografieren. Ich liebe es aber, bei meinem Synthesizer irgendetwas zu verstellen und dann draufzudrücken und irgendetwas kommt dabei raus und ich arbeite dann damit. Ich mach jetzt auch Installationen und das ist auf jeden Fall ein neues Gebiet. Es ist total spannend, Sound dann auf eine ganz andere Art zu repräsentieren. Nicht nur ein Soundstück anzufertigen.

 

Azadê Peşmen: Geht man anders vor bei einer Installation als bei einem Set, das du bei einem Auftritt präsentierst?

 

Elsa M‘bala: Ja, auf jeden Fall. Eine Installation bleibt ja da. Es geht darum, dass die Leute sich auch weiterhin mit deinem Werk auseinandersetzen. Es ist eigentlich Luxus, dass Leute sich drei Minuten dreißig mit deinem Werk beschäftigen. Das ist eigentlich ziemlich viel. Wie viele Leute kriegen das noch heute. Wir gucken uns ein Video auf Facebook an und wenn es mehr als dreißig Sekunden ist, denken wir uns schon: Next! (lacht) Ich kenne so viele, die das machen. Aber bei Musik habe ich das Gefühl, hat man noch ein bisschen mehr Respekt. Oder man erwartet noch etwas – man will überrascht werden. Vor allem, wenn es gut anfängt. Ich werde jetzt bei der Berlin Biennale ein Werk präsentieren. Da sind über 100 Künstler und da werden auch viele Soundkünstler sein. Ich möchte nicht mit einem Soundstück da auftreten, das weiß ich schon. Also so eins, wo man Kopfhörer bekommt. Kopfhörer – das ist gegen die Idee von Musik, die verbinden soll. Mit den Kopfhörern bist du in einem Einzelgefäß, obwohl du eigentlich mit anderen dort hingehst, um mit anderen Sachen zu teilen. Da wollte ich raus. Deswegen wird es eher eine visuelle Sache werden.

 

Azadê Peşmen: Also arbeitest du dann gar nicht mit Sound?

 

Elsa M‘bala: Ich mache eine Performance, aber ich mache auch so ein Stück, das da einfach bleibt. Weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass da auch etwas da ist in dem Raum später. Ich glaube, ich bin auch auf einem guten Weg, Sound irgendwie visuell zu repräsentieren.

 

Azadê Peşmen: Wie kann man Sound visuell repräsentieren?

 

Elsa M‘bala: Ich arbeite eigentlich immer visuell. Das ist ganz schön lustig. Wenn ich etwas komponiere, habe ich eigentlich immer ein Bild, eine Szene in meinem Kopf.

 

Azadê Peşmen: Was sind das für Szenen?

 

Elsa M‘bala: Es fängt meistens mit einem Sample an. Ich höre etwas und denke: "Uh, das ist geil". Und mit diesem Sample in meinem Kopf entsteht dann irgendeine Geschichte. Ein Beispiel: Meine Schwester aus Kamerun – man sagt immer Schwester, aber es ist nicht meine Schwester, du weißt schon (beide lachen) – hat mir dann auf WhatsApp so ein Video geschickt von einer Kamerunerin, die sich aufregt, dass man ihr sagt, dass ihr Französisch nicht gut sei. Und dann redet sie halt so und sagt: "Ich spreche Eton. Und ich spreche Französisch wie ich Eton denke". Und dieser Satzbau hat mich zum Lachen gebracht. Das war so toll. Und ich habe ihre Stimme aufgenommen, beziehungsweise aus diesem Video den Ton extrahiert, und wenn ich durch die Stadt laufe, kommt mir das manchmal in den Kopf und ich denke: "Sie ist so lustig". Ich habe mir bei ihr vorgestellt, wie sie das auf irgendeiner Konferenz sagt. Und wie ein Orchester sie begleitet, um das Ganze zu betonen. Also das Stück ist „Je wanda“, ich glaub, es ist auf meinem Facebook, und es hat einen schweren Beat. (macht den Beat nach) Ich habe ihre Stimme verzerrt, sie klingt wie ein Roboter, der total wütend ist. (lacht) So habe ich mir das halt vorgestellt. Es ist ziemlich geil, wenn ich so ein Bild habe. Es passiert nicht immer, das ist wirklich ein Luxus, habe ich gemerkt. Anscheinend arbeiten Künstler hier wie am Band. Ich habe bisher immer den Luxus gehabt, weil ich verschiedene Sachen mache und nicht nur von der Musik lebe, Sachen zu kreieren, die mir Spaß machen. Die auch eine Bedeutung haben über dem Enjoyment (Vergnügen). Es muss halt ein bisschen tiefer gehen.

 

Azadê Peşmen: Und dafür braucht man Zeit.

 

Elsa M‘bala: Genau. Und dafür braucht man Zeit. Und die wird einem nicht wirklich gegeben. Leider. Deshalb gehe ich auch weg. Ich ziehe aus Berlin raus. Berlin ist gerade sehr anstrengend. Berlin gibt mir nicht die Möglichkeit, kreativ zu arbeiten.

 

Azadê Peşmen: Wow! Es kommen sehr, sehr viele Menschen nach Berlin, weil sie sagen, sie können hier kreativ arbeiten und du gehst trotzdem weg. Warum?

 

Elsa M‘bala: (lacht) Ja, ich weiß. Ich schätze, ich arbeite anders. Sehr lange war ich sehr unsicher. Die ganzen Jahre, die ich hier aufgewachsen bin, war ich sehr unsicher, weil ich sehr anders bin. Und in Kamerun habe ich gemerkt, ich bin immer noch anders, obwohl ich da gerne dazugehören wollte. Hier wollte ich nie dazugehören. (lacht) Aber da wollte ich dazugehören und trotzdem wurde mir das irgendwie verweigert. Und jetzt bin ich gerade an diesem Punkt, wo ich akzeptiere, wer ich bin. Ich bin komisch. Das ist okay.

 

Azadê Peşmen: High five.

 

Elsa M‘bala: High five. Arbeiten hier in Berlin ist schwer für die Energie. Also ich wohne gerade bei einer Freundin in Reinickendorf und das ist ganz anders. Ich hab ja vorher in Kreuzberg gelebt und das war schön, aber auch gleichzeitig sehr anstrengend. Ich arbeite mit Bildern und ich muss dafür komplett ausgeruht sein und so wenig Stress haben wie möglich. Damit ich mir Sachen in meiner Fantasie vorstellen kann. Ich kann wirklich Welten in meinem Kopf kreieren. Das habe ich gemerkt, dass viele das nicht können. Aber es muss nicht in Berlin sein. Es gibt ja das Internet.

 

Azadê Peşmen: Aber man kann dich sicher noch rund um den Globus performen sehen und sonst, wie du selbst gerade gesagt hast, gibt es Internet. Elsa M'bala, vielen Dank.

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