Hidden Colours ist eine dreiteilige Porträtserie über Künstler*innen of Colour, die Barrieren, denen sie im Kulturbetrieb begegnen, und die Ausschlüsse, die sie erfahren.

Folge 3 mit der Slampoetin Tanasgol Sabbagh

Das Gespräch im Wortlaut

Ich bin Tanasgol Sabbagh. Ich bin Slampoetin. Ich trete mit meinen Texten bei Poetry-Slams auf oder ich werde eingeladen, gebucht und trete mit Spoken-Word Texten auf, schreibe Gedichte und manchmal auch Geschichten.

 

[Meine Texte] haben ziemlich viel mit mir zu tun, aber ich versuche über mich selbst auf politische Ebenen zu gehen. Es geht mir eher darum, politische Themen anzusprechen, aber ich finde es immer leichter, wenn ich das an mir selbst abarbeite. […] Gerade auf Slambühnen gibt es ganz viel so „Ja!“ und „Nazis sind blöd!“ und „Ja, voll!“ Aber das gibt mir ehrlich gesagt nicht so viel und ich glaube, dass viele Leute bei gewissen Themen einfach abschalten, weil sie keine Empathie aufbauen können zu der Person. Ich finde schon, es muss nicht immer mit der Person zu tun haben. Mir ist es wichtig, dass klar wird, warum es eine Dringlichkeit für mich gibt.

 

[Ausschnitt eines Slamtextes: Bei allen Menschen gleich und trotzdem sehen wir nur Unterschiede und du fragst mich, woher ich komme.]

 

Ich denke Themen wie Rassismus betreffen uns auf unterschiedliche Weise. Ich bin als Iranerin ganz anders damit konfrontiert als andere Freundinnen. Ich versuche gerade, weil es nuanciert ist, bei mir […] auch auf diese Nuancen hinzuzeigen.

 

Wenn ich etwas, was ich denke, in Reimform packe und das dann vortrage, dann hat es einfach eine schöne Melodie und trägt sich auf eine Art. […] Dann ist das ein schöner Effekt, den [Leute] hören und deswegen werden sie die Message, die sie hören, auch irgendwie durchsickern lassen. Wie so eine Art gereimter TED Talk! Im Poetry-Slam gibt es diesen albernen Satz […], den man häufig sagt, wenn Leute auf einer anderen Sprache den Text vortragen: If you don‘t understand the poem, feel it. So albern, super kitschig, aber es stimmt auf eine Art! Wenn ich auf der Bühne bin und etwas vortrage und meine Stimme mitgeht und da etwas passiert… Ich versuche ja auch etwas reinzulegen und dann mache ich die Erfahrung, dass es […] irgendwie aufgenommen wird.

 

Je nachdem, wo in Deutschland ich bin … wobei in Berlin ist das auch schon passiert, dass Menschen kommen und sagen: „Diese Art von Rassismus gibt es nicht, von der du sprichst. Oder nicht in Deutschland. Die gibt‘s nicht.“

 

Man ist als Frau mit Migrationshintergrund – whatever! – in einer Position, in der man häufig als Quotenperson irgendwo eingeladen wird. Es ist gerade finanziell vielleicht ganz okay für uns, auch wenn es gesellschaftlich nicht so cool ist. Und das ist problematisch, auch das zeigt, dass es nicht genug gibt. Ich merke oft, dass jemand mich einlädt für eine Veranstaltung einfach, weil auf deren Liste wohl stand „Ja, und dann brauchen wir noch so eine braune Frau oder so. Wäre voll gut.“ Klar freue ich mich, wenn eine renommierte Institution mich einlädt und wenn ich über eines der Themen sprechen kann, die mir am Herzen liegen. Wenn ich z.B. meine Gedanken über Gleichheit und Ungleichheit irgendwo vortragen kann, wo Leute sind, die vielleicht sogar etwas ändern könnten...

 

Parallelgesellschaft: wir haben uns gegründet aus dem Impuls heraus nicht jedes Mal Quotenausländernummer zu sein. Wir sind zu viert, wir waren erst zu fünft […]. Was besonders ist bei uns, ist, dass wir eine politische Bühne sind. Es ist in Berlin auch nochmal etwas anderes. Ich habe das Gefühl, man kann ein bisschen klarer mit seiner Meinung [hervortreten], was außerhalb manchmal schwierig ist. Ich glaube, so etwas Ähnliches [wie Parallelgesellschaft] hat gefehlt. Vielleicht nicht in Berlin, aber für uns zumindest. Uns in der Slamsphäre hat es auf diese Art schon gefehlt. Und insofern kommt das eigentlich ganz gut an.

 

In Berlin vor allem gibt es viel mehr Bühnen, Lesebühnen, wo man einfach so auftreten kann. In Deutschland generell, wenn man ein bisschen auf Lesebühnen oder Kabarettbühnen unterwegs ist, […] da ist es 2018 oder 2019 immer noch völlig lustig und cool, wenn man irgendwie Gangsterrap mit schlecht verstellter Stimme nachmacht und so Sachen, die wirklich hochrangig schwierig sind und auch peinlich ehrlich gesagt.

 

Aber naja, ich bin auch verzweifelt und denke oft, warum warum – also warum schreiben, aber dann macht man es ja trotzdem.