Man sieht drei Bilder an einer weißen Wand hängen, wobei zwei der Bilder zu weit entfernt vom Betrachter sind. Das dritte Bild mit dem Titel Dichroitisch zeigt geometrische Formen in gelb und lila.

3 Bilder von Ono Ludwig: v. l. n. r  –  ASPEKTE KONKRET (Forbidden Red, Vier Wahrheiten, Dichroitisch)

Von: Dr. des. Kate Brehme

Übersetzung: Stefan Schade und Irina Bondas

 

Was ist „Disability Arts“? Ist es eine Bewegung? Eine Community? Oder eine Ästhetik? Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass es ein umkämpfter Begriff ist. Einige sind der Ansicht, Disability Arts beschreibt ausschließlich Kunstwerke, die Behinderungen als Thema verhandeln. Andere sind der Auffassung, Disability Arts meint ebenso Kunst von Künstler*innen mit Behinderungen ungeachtet dessen, ob ihre Behinderung darin thematisiert wird. Andere gehen noch weiter. Für sie umfasst Disability Arts auch Kunst zum Thema Behinderung von Künstler*innen ohne Behinderungen. Eine solche Erweiterung des Begriffs würde ich allerdings infrage stellen. Denn die Disability-Arts-Bewegung ist in erster Linie aus verschiedenen Behindertenrechtsbewegungen entstanden. Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Facetten möchte ich im Folgenden einen Einblick in Disability Arts geben und meine Einschätzung ihrer historischen Bedeutung sowie ihres Potentials für die Zukunft aus meiner Position als australisch-britische, in Deutschland lebende Kuratorin teilen.

 

Ein Label zwischen Selbstidentifikation und Othering

Disability Arts verweist auf Selbstidentifikation und Empowerment im gleichen Maße wie auf othering und Ausbeutung. Einerseits wird im kunsthistorischen Kanon des Westens Kunst von Menschen mit Behinderungen allzu oft vorschnell als „Outsider Art“ (Außenseiterkunst) oder „Art Brut“ (wörtlich: „rohe Kunst“) klassifiziert, wobei der Begriff Art Brut von Jean Dubuffet geprägt wurde, als dieser 1945 begann, Kunst von Kindern, Psychiatrie-Patient*innen und anderen zu sammeln, die außerhalb des offiziellen Kulturbetriebs agierten (M. Schneckenburger, C. Fricke, K. Honnef, Hrsg. Ingo F. Walther, Art of the 20th Century, Volume II, 2005, S. 715). Zwar handelt es sich hierbei um legitime Formen der Kunstproduktion, deren Urheber*innen gleichermaßen ein Anrecht auf ihren Platz im Kunstgeschehen haben, die Bedingungen, unter denen diese Werke geschaffen, präsentiert und rezipiert werden, sind jedoch oft durch Ausbeutung von Menschen mit Behinderungen gekennzeichnet – wobei diese Ausbeutung meist durch Kunsthistoriker*innen und Kurator*innen ohne Behinderung geschieht. So wird beispielsweise die Arbeit von Künstler*innen mit Behinderung ausgestellt, ohne dass sie die Möglichkeit erhalten, die – manchmal recht stereotype – Art der Präsentation vollständig zu erkennen oder dieser zuzustimmen. In anderen Fällen – trotz der oft wohlgemeinten Bemühungen von Kunstschaffenden ohne Behinderung – zwingt der fehlende Zugang zum richtigen Arbeitsumfeld oder zu den geeigneten Arbeitsbedingungen Künstler*innen mit Behinderung, zusätzlichen Aufwand zu betreiben, um ihre Kolleg*innen aufzuklären und selbst nach provisorischen Lösungen zu suchen. Die extremste Ausprägung dieser Tendenzen ist der sogenannte Tokenismus: Dabei dienen die Künstler*innen mit Behinderung dem Renommee der Kurator*innen ohne Behinderung, die davon profitieren, als „inklusiv“ zu gelten, ohne dabei auf die Zugangsbedürfnisse der Künstler*innen mit Behinderung einzugehen. Viele Künstler*innen mit Behinderungen entscheiden deshalb, sich mit der Kategorie Disability Arts nicht auseinanderzusetzen und lehnen dieses Label ab, durch das sie sich noch stärker ausgegrenzt oder stigmatisiert fühlen.

 

Andererseits jedoch kann die Zugehörigkeit zur Disability-Arts-Szene oder Disability-Arts-Community Künstler*innen mit Behinderungen den Zugang zur zeitgenössischen Kunstwelt ermöglichen. Die im Vereinigten Königreich lebende und arbeitende Kulturproduzentin Jo Verrent hat es gut auf den Punkt gebracht: „Sind Künstler*innen mit Behinderung nicht einfach nur ‚Künstler*innen’? Ja und nein. Alle Künstler*innen sind Künstler*innen. Und in einer perfekten Welt wäre es nicht nötig, in eine Schublade zu passen, nur um Förderung zu bekommen, Zugang zu erhalten oder ernst genommen zu werden. So sieht es aber derzeit nicht aus. Man kann also sagen, dass die positiv besetzte Selbstbezeichnung Künstler*innen mit Behinderung eine Stimme und eine Plattform gibt, die sie schneller und weiter voranbringen kann. Für einige Kunstschaffende ist es eine Frage der eigenen Identität. Wenn sie sich in ihrer Arbeit direkt oder indirekt mit ihrer Erfahrung als Mensch mit Behinderung auseinandersetzen, ist es sinnvoll für sie, sich als Künstler*innen mit Behinderung zu verstehen. Für viele Menschen mit Behinderungen ist das Wort ‚Behinderung‘ positiv konnotiert. Für mich zum Beispiel. Meine Behinderung ist Teil dessen, wie ich mich in der Welt sehe, sie ist genauso Teil von mir, wie eine Frau zu sein oder vergleichbare Attribute.“

 

Chronologie der Disability Arts in Großbritannien

Positionen wie diese entstanden weitgehend als Folge der weltweiten Behinderterechtsbewegung, die negative Assoziationen zu der Bezeichnung „behindert“ aufzuheben suchte und besseren Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Räumen forderte, auch im kulturellen Bereich. Künstler*innen mit Behinderungen erhielten dadurch auch Möglichkeiten, als Kulturexpert*innen in der Berufswelt anerkannt zu werden. Im Vereinigten Königreich entstand die Bewegung in den 1970er-Jahren. Der Begriff Disability Arts fand erstmals um 1986 herum Verwendung, als das erste Forum zu diesem Thema abgehalten wurde. Die Bewegung wuchs stetig an und erreichte ihren Höhepunkt in den späten 1990er-Jahren, befeuert vom Antidiskriminierungsgesetz für Menschen mit Behinderungen von 1995. Zu den herausragenden Persönlichkeiten, die einen großen Beitrag zu Disability Arts im Vereinigten Königreich geleistet haben, gehören unter anderen Tony Heaton und Claire Cunningham. Tony Heaton ist ein britischer Bildhauer, Performance-Künstler, Berater zum Thema Disability und Behindertenrechtsaktivist. In seiner Performance „Shaken not Stirred“ stapelte Heaton 1.760 rote Spendenbüchsen zu einer Pyramide und zerschlug diese anschließend mit einer Beinprothese. Die Performance entstand im Rahmen der Protestkampagne gegen Telethons (das sind Spendengalas im Fernsehen, Anmerkung der Redaktion), in denen Spenden für Menschen mit Behinderung gesammelt wurden, und war damit Teil eines Wendepunktes bei den Forderungen nach Rechten statt Wohltätigkeit und Zuwendungen. Claire Cunningham ist eine der namhaftesten britischen und international bekannten Performance-Künstler*innen mit Behinderung. Ihre Arbeit wurzelt oft in der Erforschung und dem Gebrauch beziehungsweise Fehlgebrauch ihrer Krücken sowie im Potential ihrer eigenen spezifischen Körperlichkeit und einer bewussten Ablehnung traditioneller Tanztechniken.

 

Andere Künstler*innen, wie der in Berlin lebende US-amerikanische Schriftsteller und Lyriker Kenny Fries machen deutlich, dass Behinderung auch im Kontext von Intersektionalität gesehen werden sollte. Seine Erfahrung als schwuler, jüdischer Mann mit Behinderung verarbeitet er in seinen Büchern, unter anderem in „In the Province of the Gods“, „Body, Remember: A Memoir“ und „The History of My Shoes and the Evolution of Darwin’s Theory“. Die taube Künstlerin und Performerin Christine Sun Kim wiederum kreiert Textzeichnungen, Videos und partizipative Performances, um Klang und gesprochener Sprache neue Formen zu geben und gesellschaftliche Ignoranz und Ableismus gegenüber tauben Menschen zu verhandeln. Ihre großformatigen Kohlezeichnungen „Off the Charts“ beispielsweise setzen sich damit auseinander, wie es ist, sich als taube Person in einer Welt der Hörenden zu bewegen. Die sechs Kunstwerke bilden verschiedene mathematische Winkel ab, die wutauslösenden Begegnungen der Künstlerin mit hörenden Menschen zugeordnet werden: „im Restaurant bekomme ich eine Karte in Braille“, „auf dem Flughafen wird mir ein Rollstuhl angeboten“ oder „Kurator*innen, die es für fair halten, meine Gage mit Dolmetscher*innen [für Gebärdensprache] zu teilen“.

 

Disability Arts in den USA and Australien

Auch in den USA ist die Entwicklung von Disability Arts an die Behindertenrechtsbewegung gekoppelt, die sich zeitgleich mit der britischen etablierte, und mit mehreren gemeinnützigen Organisationen und Persönlichkeiten eng verknüpft. So wurde 1982 zum Beispiel der Kunstraum Nurturing Independence Through Artistic Development Art Center gegründet, der vormals den Namen National Institute of Art & Disabilities trug. Landesweit existieren viele weitere Organisationen, die sich ähnlichen Visionen und Aufgaben verschrieben haben, darunter das 1987 in Kalifornien gegründete Performer*innen- Ensemble mit und ohne Behinderung Axis; die 2000 gegründete, vierteljährlich erscheinende Zeitschrift zu Disability-Kultur und -Literatur „Breath and Shadow“ oder die erst 2017 in New York City gegründete kunstaktivistische Organisation Disability/Arts/NYC (DANT). Für den Aufschwung der Disability-Arts-Szene in den USA waren auch Schlüsselfiguren von zentraler Bedeutung, unter anderen die DANT-Mitinitiatorin, Autorin, Filmemacherin und Kunstberaterin Simi Linton. Zu ihren Werken gehören „Claiming Disability: Knowledge and Identity“, „My Body Politic“ und der im Rahmen der Initiative Disability.Dance.Artistry. erschienene Text „Cultural Territories of Disability“. Ein weiterer wichtiger Akteur ist der Aktivist, Schriftsteller, Lyriker, Rapper, Feminist und Radiomacher Leroy F. Moore Jr. Er ist Gründer der Krip-Hop Nation, einer Bewegung, die sich mit Ableismus auseinandersetzt und darauf aufmerksam macht, dass vor allem Schwarze Musiker*innen auf rassistische und ableistische Weise marginalisiert werden. Zudem ist Leroy F. Moore Jr. Mitbegründer des Performance-Projektes Sins Invalid, das für soziale und ökonomische Gerechtigkeit kämpft und People of Color, Queere, Nicht-Binäre und Trans*-Personen mit Behinderungen ins Zentrum stellt.

 

In Australien trugen gemeinnützige, staatlich geförderte Organisationen, wie die 1992 gegründete und in allen Bundesstaaten vertretene Körperschaft Arts Access Australia, maßgeblich zur Entwicklung der Disability Arts bei. Auch in Kanada sind es Organisationen wie das Kulturzentrum Indefinite Arts Centre, das Netzwerk Arts & Disability Network Manitoba, Kickstart Arts oder Tangled Gallery, die Disability Arts landesweit stärken.

 

Disability Arts in Deutschland

In Deutschland ist die historische Entwicklung vergleichbar zu der in den USA. Das betrifft vor allem Westdeutschland, wo der Bürgerrechtsaktivismus der späten 1960er-Jahre und frühen 1970er-Jahre und erneut in den späten 1980er-Jahren sich dezidiert dem Menschenrechtsaktivismus für Menschen mit Behinderungen zuwendete (Carol Poole, Disability in Twentieth-Century Germany, 2009, S. 273). Zahlreiche Organisationen, wie EUCREA, Ramba Zamba oder das Theater Thikwa wurden seit 1989 in ganz Deutschland gegründet, inspiriert von der Antipsychiatriebewegung und den Kämpfen um besseren Zugang zu Kunst und Kultur für Menschen mit Behinderungen. Inzwischen gibt es in Deutschland und insbesondere in Berlin viele beeindruckende lokale Künstler*innen wie Tamara Rettenmund oder Ono Ludwig sowie internationale Künstler*innen wie Kenny Fries und Christine Sun Kim, die die Szene hierzulande enorm stärken. Im Gegensatz zu den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich oder Australien ist diese Bewegung in Deutschland allerdings völlig ungenügend erforscht. Zudem fehlt es ihr an infrastruktureller und finanzieller Unterstützung.

 

Ableismus in den Künsten überwinden

Solch eine Unterstützung ist dringend nötig. Denn obwohl es weltweit ein gesteigertes Bewusstsein für und Interesse an Disability Arts gibt, sind Menschen mit Behinderungen in der Kunst weiterhin extrem unterrepräsentiert und durch Ableismus diskriminiert. Im Vereinigten Königreich beträgt der Anteil der Menschen mit Behinderungen, die im Kunstbetrieb arbeiten, weniger als fünf Prozent, wobei die Dunkelziffer derjenigen, die sich nicht als Menschen mit Behinderung zu erkennen geben, nicht berücksichtigt wird. Eine ähnliche Situation herrscht auch in anderen Ländern. In Australien sind Künstler*innen mit Behinderung unzureichend repräsentiert, verdienen weniger als ihre Kolleg*innen ohne Behinderungen, sind stärker von Arbeitslosigkeit betroffen und geben oft einen mangelnden Zugang zu Förderung als Hindernis für ihre berufliche Weiterentwicklung an. In den USA haben Arbeiter*innen mit Behinderungen mit ähnlichen Hindernissen zu kämpfen und Kanada verzeichnet eine strukturelle Diskriminierung im Kunstsektor, wie zum Beispiel „fehlende spezifische oder zugängliche berufliche Bildungsmöglichkeiten; fehlende physisch zugängliche Performance-, Ausstellungs-, Arbeits- und Übungsräume; stereotype und stigmatisierende kulturelle Repräsentation von Behinderung; ein Fehlen alternativer Formate behindert/verhindert die Teilhabe an Kunst sowie künstlerisches Schaffen; Diskriminierung, Manipulation, Aneignung und Ausbeutung von Künstler*innen mit Behinderung durch Kunstarbeiter*innen ohne Behinderung.“ Leider ist kein Vergleich mit der Situation in Deutschland möglich, da es in Deutschland schlicht keine Erhebungen für diesen Kontext gibt. Allerdings sehen wir, dass die allgemeine Beschäftigungsrate für Menschen mit Behinderungen weitaus niedriger ist als für Menschen ohne Behinderungen. Und so können durchaus analoge Verhältnisse im Kunstbetrieb angenommen werden.

 

Der Aufbau und die Arbeit von Organisationen im Bereich von Disability Arts, vor allem wenn sie von Menschen mit Behinderung geleitet werden, können diesen Formen der Diskriminierung entgegenwirken, indem sie die Solidarität unter den Künstler*innen stärken und Ressourcen mit dem weiteren Kultursektor teilen. Diese Organisationen spielen eine unerlässliche Rolle dabei, Künstler*innen mit Behinderung stärker sichtbar zu machen. Sie können dabei eine empowernde Wirkung zeigen, denn sie sind in der Lage, die Zugangsbedürfnisse der Künstler*innen zu erfüllen. Sie verbessern die Möglichkeiten und den Zugang für Menschen mit Behinderungen als Künstler*innen, Kulturschaffende, Teilnehmer*innen und Publikum. Organisationen wie beispielsweise Unlimited, Disability Arts International, Shape und Projectability im Vereinigten Königreich und Arts Access Australia bieten ihren Mitgliedern Dienstleistungen in den Bereichen Repräsentation und Interessenvertretung, Vermittlung und Projektentwicklung, Information und Beratung sowie finanzielle Förderung. Konferenzen und Symposien im Kunstbetrieb um die Themen Behinderung, Zugang und Inklusion bieten gleichermaßen dringend nötige Plattformen, um Wissen, Best Practice und Ressourcen auf nationaler und internationaler Ebene auszutauschen. Beispiele für solche Initiativen sind die Programme Unlimited und engage im Vereinigten Königreich, Meeting Place in Australien, NO LIMITS, EUCREA und das Grenzenlos Kultur Theaterfestival in Deutschland sowie IntergART auf Ebene der Europäischen Union.

 

Wie der Mainstrem-Kulturbetrieb sich ändern muss

Doch nach wie vor besteht großer Handlungsbedarf, insbesondere in Deutschland. Die von Menschen mit Behinderungen geleiteten Organisationen und Disability-Arts-Organisationen haben zwar Beachtliches für die Förderung und Unterstützung von Künstler*innen mit Behinderungen geleistet, aber der sogenannte Mainstream-Kunstsektor könnte sich stärker engagieren, um gegen Ableismus vorzugehen. Erstens sollten Organisationen Arbeiten bei Künstler*innen mit Behinderungen in Auftrag geben und ihre Arbeiten ausstellen. Kulturschaffende mit Behinderungen sollten in den Organisationen und dort vor allem in leitenden Positionen beschäftigt werden. Einige spezifisch auf Disability Arts ausgerichtete Organisationen in Berlin wie das NO LIMITS Disability & Performing Arts Festival und eher im Mainstream angesiedelte Kunsteinrichtungen wie die Sophiensaele und die Berlinische Galerie haben von der vor kurzem erfolgten Einstellung von Kulturschaffenden mit Behinderung profitiert. Zudem haben die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa und der Landesverband der Museen zu Berlin Arbeitskreise mit Beteiligung von Menschen mit Behinderungen eingerichtet, um die Zugänglichkeit in Kunst und Kultur sowie insbesondere von Museen zu prüfen. Zweitens gelten in jedem Land rechtliche Bestimmungen, um Diskriminierung und Ausschluss entgegenzuwirken, darunter Vorgaben zur Beschäftigung einer Mindestzahl an Menschen mit Behinderungen, für die entsprechende Anpassungen für Zugang und Barrierefreiheit gewährleistet werden müssen. Auch in Deutschland gibt es diese Regelungen. In anderen Ländern wie dem Vereinigten Königreich und Australien ist die Politik strenger bei der Umsetzung dieser Gesetze. In Deutschland hingegen wird das Thema Zugänglichkeit bestenfalls auf barrierefreien Zugang zu kulturellen Einrichtungen beschränkt und schlimmstenfalls vollständig ignoriert oder unterschlagen. Schließlich müssen mehr finanzielle Mittel auf Bundes- und Landesebene bereitgestellt werden für Künstler*innen und Organisationen, die die Arbeit von Künstler*innen mit Behinderungen unterstützen. Dazu gehören auch Mentoring- sowie Fort- und Weiterbildungsprogramme, die alternative und inklusivere Formen künstlerischer und kultureller Bildung anbieten. Erste Schritte in die richtige Richtung wurden bereits unternommen. Neue Förderprogramme wie Durchstarten und die IMPACT-Förderung bieten finanzielle Förderung für Künstler*innen mit Behinderungen in Berlin.

 

Zwar haben wir noch einen weiten Weg vor uns, bis sich die Unterstützungsleistungen und -strukturen an das Niveau anderer Länder angeglichen haben, aber der deutsche Sektor der Disability Arts stellt jetzt schon ein wachsendes, dynamisches und spannendes Arbeitsfeld dar. Ich bin überzeugt, dass Disability Arts in Deutschland mit der richtigen Unterstützung sein volles Potential entfalten können wird und sich als ein international anerkanntes und konstitutives Element unserer zeitgenössischen kulturellen Landschaft etabliert.

Über Kate Brehme

Kate Brehme ist freischaffende Kuratorin und Kunstvermittlerin mit einer Behinderung. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Ihre kuratorische Laufbahn begann Kate im Jahr 2002 mit dem Diplom in bildender Kunst und einem BA in zeitgenössischer Kunst in Melbourne, Australien. Nach einem Master-Abschluss in Cultural Heritage Studies 2008 arbeitete Kate als Kunstvermittlerin in verschiedenen Einrichtungen und Organisationen wie der National Galleries of Scotland, The Fruitmarket Gallery in Edinburgh und der University of Strathclyde in Glasgow. Sie promovierte vor kurzem am Center for Metropolitan Studies der Technischen Universität Berlin zur zeitgenössischen Kunstbiennale und dem urbanen Raum.

 

Derzeit kuratiert Brehme Projekte des US-Kunstzentrums Contemporary Art Exchange, lehrt im Studiengang Master Education in Arts am Piet Zwart Institute in Rotterdam sowie am NODE Center for Curatorial Studies in Berlin und leitet Berlinklusion, ein Netzwerk für Zugänglichkeit in Kunst und Kultur, das sie gemeinsam mit Kolleg*innen 2017 mit dem Ziel gründete, die Zugänglichkeit in Kunst und Kultur in Berlin für Künstler*innen und Publikum mit Behinderungen zu verbessern. www.berlinklusion.de