Verschoben auf Frühjahr 2023: K(l)assensturz – Ein Abend über Ausschlüsse & soziale Herkunft im Kulturbetrieb
Informationen
15.12.2022
Uhrzeit
19:00 Uhr
Ort
Berlinische Galerie , Alte Jakobstraße 124–128 , 10969 Berlin
Sprache
Die Veranstaltung findet in Deutscher Lautsprache mit Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache statt
Zugänglichkeit
Der Einlass ist ab 18 Uhr, der Eintritt ist frei. Es besteht die Möglichkeit, die Ausstellung „Klassenfragen – Kunst und ihre Produktionsbedingungen“, eine Kooperation der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) und der Berlinischen Galerie anzusehen.
Die Berlinische Galerie ist für Besucher*innen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich. Das Museumsgebäude und sämtliche Ausstellungs- und Veranstaltungsräume sind mit einem Rollstuhl barrierefrei zu erreichen. Der Eingang des Museums liegt ebenerdig. Eine kraftverstärkte Tür finden Sie etwa fünf Meter nach dem Haupteingang rechts an der Glasfront. Eine barrierefreie Toilette befindet sich im Foyer des Museums. Die Tür öffnet über einen Taster. Weitere Informationen: berlinischegalerie.de/barrierefreiheit/
Während der Veranstaltung empfehlen wir das Tragen einer Maske.
Der Kulturbereich ist prekär und unterfinanziert. Das ist oft der erste Gedanke, wenn es um Klassismus im Kulturbereich geht. Doch wer kann eine Karriere im Kulturbereich machen und sich darin behaupten? Unser hiesiges Verständnis von (Hoch-)Kultur ist auf ein bürgerliches Vorhaben des 19. Jahrhunderts im Kontext des europäischen Kolonialismus zurückzuführen: Bürger*innen etablierten in Abgrenzung zum Adel und zur Arbeiter*innenklasse eigene Kulturstätten. Gleichzeitig haben sich Arbeiter*innen und Armutsbetroffene Räume und kulturelle Ausdrucksformen jenseits des öffentlich geförderten Kulturbetriebs geschaffen. Diese werden bis heute zurückgedrängt, abgewertet und überschrieben.
Möchte man dieses System durchbrechen, braucht es Wissen darüber, wie Menschen diskriminiert werden und was man dagegen tun kann. Es braucht ebenfalls Wissen darüber, inwiefern soziale Herkunft bzw. die soziale und ökonomische Position mit strukturellen Ausgrenzungen und Abwertungen im Kulturbereich verbunden sind. Das Merkmal künstlerische Qualität wird dabei oft verwendet, um Ausschlüsse zu verstärken, anstatt vielfältigen Perspektiven Raum zu geben. Empowernde Ansätze kommen vor allem von marginalisierten Künstler*innen selbst, die auch Mehrfachdiskriminierung zum Thema machen. Diesen Perspektiven widmet sich das Dossier „Kunst kommt von Können?!“ - Klassismus im Kulturbetrieb“.
Programm
Begrüßung
Dr. Thomas Köhler (Berlinische Galerie)
Bahareh Sharifi, Lisa Scheibner (Diversity Arts Culture) und Justine Donner (kultur_formen)Moderation
Lyza Schwab (kultur_formen)
Input 1: „Qualität und Geschmack. Deckkategorien zur Verteidigung von Klassismus im Besonderen und Nicht-Diversität im Allgemeinen“
Referentin: Ruth Sonderegger
Der Input beschäftigt sich mit dem Einsatz von Kategorien wie „Qualität“ und „Geschmack“ zur Verteidigung bestehender Kanons im Feld von Kunst und Kultur. Der Fokus liegt dabei auf Kunsthochschulen und den Zugangsbarrieren, mit denen diese Institutionen arbeiten.
Ruth Sonderegger ist Professorin für Philosophie und ästhetische Theorie an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ihre derzeitigen Forschungsfelder sind: Geschichte der philosophischen Ästhetik im Kontext des kolonialen Kapitalismus, Praxistheorien, Cultural Studies, kritische Theorien des racial capitalism und Widerstandsforschung.
Input 2: „Ungleichheiten innerhalb der Arbeiter*innenklasse. Über die Ausstellung ‚Mehmet Berlin’de/Mehmet kam aus Anatolien‘ von 1975.“
Referent: Gürsoy Doğtaş
Die Arbeiter*innen aus der Türkei können in den 1970er Jahren für sich nicht die gleichen Rechte geltend machen wie ihre Kolleg*innen aus der BRD. Obwohl sie beispielsweise die gleichen Steuersätze zahlen, beziehen sie weniger Kindergeld. Ihre Forderungen nach demokratischen Rechten können sogar ihren Aufenthaltsstatus bedrohen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich 1975 in Berlin die Ausstellung „Mehmet Berlin’de/Mehmet kam aus Anatolien.“ Der Vortrag zeichnet die politischen und soziologischen Implikationen der Kunstausstellung auch im Hinblick auf die Klassenunterschiede innerhalb der migrantischen Communities nach.
Gürsoy Doğtaş, Kunsthistoriker, arbeitet para-kuratorisch an den Schnittpunkten von Institutionskritik, strukturellem Rassismus und Queer Studies. Neben vielen Ausstellungen ko-kuratierte er das Symposium „Das Recht auf Erinnern und die Realität der Städte in Nürnberg“ (2021). Zurzeit ist er Gastprofessor am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin.
Input 3: Künstlerische Berufsausbildung: Barrieren überwinden, Zugänge schaffen
Referentinnen: Laura Cadio und Bahar Meriç
Future Move - Berufsperspektiven für junge Tanzschaffende ist ein Projekt zum Austausch künstlerischer Tanzpraxis. Das Mentoringprogramm richtet sich an junge Menschen aus unterschiedlichen Tanzrichtungen, die Teil von marginalisierten Communities sind. Anhand der Projektkonzeption wird beleuchtet, welche Barrieren für junge Menschen existieren, um Zugang zu künstlerischer Berufsausbildung zu erhalten und wie diese mit einem Mentoringprogramm abgebaut werden können.
Future Move e.V. ist ein Zusammenschluss von Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Kulturvermittler*innen und -manager*innen und Pädagog*innen. Sie beraten und begleiten u.a. Kulturinstitutionen in Diversitätsprozessen, entwickeln und implementieren Formate und Projekte mit künstlerisch-edukativen Methoden, forschen zu Teilhabe, Transformationsprozessen und künstlerischer Praxis und entwickeln künstlerische Bühnenstücke im Kulturbetrieb mit Perspektiven, die bislang unzureichend repräsentiert sind. Laura Cadio ist Kulturvermittlerin und -managerin, Bahar Meriç ist Choreografin.
Kurzinfos
Kultur_formen arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Kultur, Jugend, Bildung und Stadtgesellschaft. Zentrale Arbeitsfelder sind dabei Förderung, diversitätssensible Qualifizierung und Community-Arbeit für Akteur*innen der Kulturellen Bildung.
Die Berlinische Galerie, Museum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, sammelt, präsentiert und vermittelt in Berlin entstandene Kunst von 1870 bis heute.