K(l)assensturz – Ein Abend über Ausschlüsse & soziale Herkunft im Kulturbetrieb
Informationen
29.06.2023
Uhrzeit
19:00 Uhr
Ort
Berlinische Galerie , Alte Jakobstraße 124–128 , 10969 Berlin
Sprache
Die Veranstaltung findet in Deutscher Lautsprache mit Verdolmetschung in Deutsche Gebärdensprache statt
Zugänglichkeit
Der Einlass ist ab 18:30 Uhr, der Eintritt ist frei.
Die Berlinische Galerie ist für Besucher*innen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich. Das Museumsgebäude und sämtliche Ausstellungs- und Veranstaltungsräume sind mit einem Rollstuhl barrierefrei zu erreichen. Der Eingang des Museums liegt ebenerdig. Eine kraftverstärkte Tür finden Sie etwa fünf Meter nach dem Haupteingang rechts an der Glasfront. Eine barrierefreie Toilette befindet sich im Foyer des Museums. Die Tür öffnet über einen Taster. Weitere Informationen: berlinischegalerie.de/barrierefreiheit/
Der Kulturbereich ist prekär und unterfinanziert. Das ist oft der erste Gedanke, wenn es um Klassismus im Kulturbereich geht. Doch wer kann eine Karriere im Kulturbereich machen und sich darin behaupten? Unser hiesiges Verständnis von (Hoch-)Kultur ist auf ein bürgerliches Vorhaben des 19. Jahrhunderts im Kontext des europäischen Kolonialismus zurückzuführen: Bürger*innen etablierten in Abgrenzung zum Adel und zur Arbeiter*innenklasse eigene Kulturstätten. Gleichzeitig haben sich Arbeiter*innen und Armutsbetroffene Räume und kulturelle Ausdrucksformen jenseits des öffentlich geförderten Kulturbetriebs geschaffen. Diese werden bis heute zurückgedrängt, abgewertet und überschrieben.
Möchte man dieses System durchbrechen, braucht es Wissen darüber, wie Menschen diskriminiert werden und was man dagegen tun kann. Es braucht ebenfalls Wissen darüber, inwiefern soziale Herkunft bzw. die soziale und ökonomische Position mit strukturellen Ausgrenzungen und Abwertungen im Kulturbereich verbunden sind. Das Merkmal künstlerische Qualität wird dabei oft verwendet, um Ausschlüsse zu verstärken, anstatt vielfältigen Perspektiven Raum zu geben. Empowernde Ansätze kommen vor allem von marginalisierten Künstler*innen selbst, die auch Mehrfachdiskriminierung zum Thema machen.
Vier Expert*innen widmen sich in drei Inputs der Frage, wie Klassenverhältnisse aufgebrochen und Ressourcen im Kulturbereich gerechter verteilt werden können.
Programm
Begrüßung
Christine van Haaren (Berlinische Galerie)
Bahareh Sharifi, Lisa Scheibner (Diversity Arts Culture) und Justine Donner (kultur_formen)
Moderation
Maja Bogojević (feministische Sozialwissenschaftlerin und Antidiskriminierungsberaterin)
Input 1: „Ungleichheiten innerhalb der Arbeiter*innenklasse. Über die Ausstellung ‚Mehmet Berlin’de/Mehmet kam aus Anatolien‘ von 1975.“
Gürsoy Doğtaş
Die Arbeiter*innen aus der Türkei können in den 70er Jahren für sich nicht die gleichen Rechte geltend machen wie ihre Kolleg*innen aus der BRD. Obwohl sie beispielsweise die gleichen Steuersätze zahlen, beziehen sie weniger Kindergeld. Ihre Forderungen nach demokratischen Rechten können sogar ihren Aufenthaltsstatus bedrohen. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich 1975 in Berlin die Ausstellung „Mehmet Berlin’de/Mehmet kam aus Anatolien.“ Der Vortrag zeichnet die politischen und soziologischen Implikationen der Kunstausstellung auch im Hinblick auf die Klassenunterschiede innerhalb der migrantischen Communities nach.
Input 2: „Diversity unter Eliten. Klassismus, Grenzregime und Kämpfe der Migration an der Kunstuniversität.“
Petja Dimitrova
Der Input beschäftigt sich mit Politiken und Widersprüchen der Programmatik für Inklusion, Durchlässigkeit und Diversität an Kunsthochschulen. Wie weit greifen bestehende Ausschlüsse sowie welche Strategien und Akteure wirken diesen entgegen? Der Input umfasst eine Bestandsaufnahme aus der freien Kunst- und Kulturszene sowie der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Input 3: Künstlerische Berufsausbildung: Barrieren überwinden, Zugänge schaffen
Bahar Meriç, Silke Ballath und DOore tOx Antrie
Future Move - Berufsperspektiven für junge Tanzschaffende ist ein Projekt zum Austausch künstlerischer Tanzpraxis. Das Mentoringprogramm richtet sich an junge Menschen aus unterschiedlichen Tanzrichtungen, die Teil von marginalisierten Communities sind. Anhand der Projektkonzeption wird beleuchtet, welche Barrieren für junge Menschen existieren, um Zugang zu künstlerischer Berufsausbildung zu erhalten und wie diese mit solch einem Mentoringprogramm abgebaut werden können.
Anmeldung
Bitte melden Sie sich auf der Webseite der Berlinischen Galerie zur Veranstaltung an.
Kurzinfos
Gürsoy Doğtaş, Kunsthistoriker, arbeitet para-kuratorisch an den Schnittpunkten von Institutionskritik, strukturellem Rassismus und Queer Studies. Neben vielen Ausstellungen ko-kuratierte er das Symposium „Das Recht auf Erinnern und die Realität der Städte in Nürnberg“ (2021). Zurzeit ist er Gastprofessor am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin.
Petja Dimitrova ist Künstlerin und Dozentin an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ihre künstlerische, kuratorische, bildungspolitische und aktivistische Praxis entwickelt sie in Zusammenarbeit mit Künstler*innenkollektiven, Bildungsinitiativen, migrantischen- und diasporischen Selbstorganisationen.
Future Move e.V. ist ein Zusammenschluss von Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Kulturvermittler*innen und -manager*innen und Pädagog*innen. Sie beraten und begleiten u.a. Kulturinstitutionen in Diversitätsprozessen, entwickeln und implementieren Formate und Projekte mit künstlerisch-edukativen Methoden, forschen zu Teilhabe, Transformationsprozessen und künstlerischer Praxis und entwickeln künstlerische Bühnenstücke im Kulturbetrieb mit Perspektiven, die bislang unzureichend repräsentiert sind.
Silke Ballath ist Kulturvermittlerin und -wissenschaftlerin, Bahar Meriç ist Choreografin.
Kultur_formen arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Kultur, Jugend, Bildung und Stadtgesellschaft. Zentrale Arbeitsfelder sind dabei Förderung, diversitätssensible Qualifizierung und Community-Arbeit für Akteur*innen der Kulturellen Bildung.
Die Berlinische Galerie, Museum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, sammelt, präsentiert und vermittelt in Berlin entstandene Kunst von 1870 bis heute.